Ruth Tellert-Weigand ist eine bemerkenswerte, sehr tapfere Frau. Obwohl das vergangene Jahr für ihren Sohn Tobi und damit für die ganze Familie wieder unsagbar schwer war, hat sie ihren Mut und die Zuversicht nicht verloren, auf dem richtigen Weg zu sein. Auf dem Notizzettel, den sie zum Gespräch in die Redaktion mitbringt, stehen am Ende – nach einer langen Liste von Krisen und Dramen – fünf Stichpunkte, vor die sie selbst ein dickes Plus gesetzt hat.
Seit vier Jahren berichten wir über den kleinen Tobias, inzwischen sieben Jahre alt, der im Oktober 2008 an Hämophagozytose erkrankt war. Viele Schweinfurter erinnern sich: Diese seltene Krankheit hatte sein Gehirn so schwer geschädigt, dass die behandelnden Neurologen die Knochenmark-Transplantation ablehnten. Aber ohne Transplantation lag das Risiko, an Lymphknotenkrebs zu erkranken, bei 80 Prozent.
Also recherchierte seine Mutter monatelang im Internet, sie reiste mit der ganzen Familie nach Amerika und stellte schließlich ein Therapiepaket zusammen, das Tobi soweit ins Leben zurückbrachte, dass die Ärzte die Transplantation nicht mehr ablehnen konnten.
Die fand im Mai 2011 statt und war erfolgreich. Bis heute sind Tobis Blutwerte gut, er braucht viele der Medikamente, die heftige Nebenwirkungen haben, nicht mehr, er krampft kaum noch, er kann essen und muss nicht mehr über die Magensonde ernährt werden. Aber zwei ganz große Probleme sind noch immer nicht ganz gelöst: heftige Bauchschmerzen und massive Atemprobleme. Die kolikartigen Schmerzen traten nach der Transplantation im Mai 2011 auf und quälten Tobi seitdem fast jeden Tag über viele Stunden. Selbst Morphium brachte nur für kurze Zeit Erleichterung, sagt seine Mutter. Im Dezember wechselten Weigands die Klinik, sie sind mit Tobi nun an der Universitätsklinik Würzburg, wo die behandelnde Ärztin sehr schnell eine heftige Reaktion des Darms auf die neuen Stammzellen vermutete und ein neues Medikament verschrieb, das Linderung bringt.
Die Atemprobleme begannen vor etwa dreieinhalb Jahren. Kein Mittel schien gegen den zähen Schleim in seiner Lunge zu helfen. Am Ende musste Tobi acht mal am Tag inhalieren, das Sauerstoffgerät lag immer griffbereit. Irgendwann fiel Ruth Weigand auf, dass es ihm besser ging, wenn er längere Zeit nicht zuhause war. Die Ursache musste also im Haus liegen, genauer gesagt in Tobis Zimmer, denn dort hatte auch seine Ergotherapeutin immer Atemprobleme. Eine Raumanalyse brachte zwei Ergebnisse: Insektizide und Weichmacher, weit über den Grenzwerten.
Es begann eine wochenlange Suche nach dem Ausschlussprinzip, bis die Verursacher gefunden waren: ein kleines Schränkchen, vermutlich ein Import aus Asien, war wohl mit Insektiziden besprüht worden und die teure Therapiematte, die seit dreieinhalb Jahren unter Tobis Bett verstaut war, wenn sie nicht gebraucht wurde, war mit Arsen, Blei, Flammschutzmittel und Weichmacher belastet. „Für so etwas brauche ich meine Zeit und Energie“, sagt Ruth Tellert-Weigand und erwähnt noch nebenbei den üblichen Ärger mit Krankenkassen und den Oberschenkelbruch bei Tobi – auch das eine Nachwirkung der Transplantation.
An diesem Punkt des Gesprächs ist die gelernte Krankenschwester am Ende der Krisen in diesem schwarzen Jahr und bei den Pluspunkten auf ihrer Liste: Tobi kann endlich essen, seine Mimik ist deutlicher, er hat eine tolle Ärztin in Würzburg und darf wieder zur Reittherapie, die ihm so gut getan hat und die nach der Transplantation verboten war. „Jetzt starten wir neu durch“, sagt seine Mutter und bezieht das nicht nur auf die Behandlung von Tobi, bei der die Familie von mehreren Therapeuten unterstützt wird, sondern auch auf ihr eigenes Engagement für betroffene Familien.
Es fing klein an, am Ende suchten rund 30 Familien, in denen ein Mitglied eine neurologische Erkrankung hat, bei ihr Rat und Hilfe. Also entschloss sich die Krankenschwester und Medizinpädagogin, Seminare unter dem Titel „Hilfe durch Tobias – Chancen für Hirnverletzte“ anzubieten. Zwei liefen bereits mit Teilnehmern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Ein Wochenende lang informierte Ruth Tellert-Weigand über die großen Erfolge mit der Überdruckkammer, die Auswirkungen einer speziellen Ernährung, über die Doman- und die Neurofeedback-Therapien, bei denen – vereinfacht ausgedrückt – die Sinneswahrnehmungen und die Gehirnaktivitäten der Patienten angeregt werden. Neurofeedback beispielsweise helfe sehr gut bei Gehirnverletzungen, Epilepsie, Autismus, ADHS und anderen Erkrankungen. „Alle Betroffenen machen inzwischen Fortschritte“, sagt Ruth Tellert-Weigand, gerade die Überdruckkammer wirke manchmal fast wie ein Zaubermittel.
Der Erfolg spornt sie an, auf diesem Weg weiterzumachen. Am Ende hat sie noch eine gute Nachricht. Aus der Typisierungsaktion für Tobias im Januar 2009, bei der sich gut 6000 Menschen aus Schweinfurt und Umgebung registrieren ließen, haben inzwischen 61 Menschen Stammzellen gespendet.
Mehr Informationen über alle Therapien und die Seminare auf www.tobias-weigand.de. Über diese Webseite ist Kontakt zu Ruth Tellert-Weigand möglich.