Als am 25. Oktober 1648 von der Treppe des Osnabrücker Rathauses der Westfälische Friede ausgerufen wurde, atmete ganz Europa auf – der Dreißigjährige Krieg war vorüber. Besonderen Grund zur Freude gab es bald danach in Gochsheim und Sennfeld. Die beiden Dörfer hatten 1635 ihre Reichsfreiheit verloren, als sie vom Kaiser dem Hochstift Würzburg überlassen worden waren. Im August 1649 erlangten sie sie nach 14-jährigen Verhandlungen wieder zurück. Bis 1802, bis zur Eingliederung an Bayern, unterstanden die Dörfer wieder direkt dem Kaiser und nicht irgendeinem Regionalfürsten, was viele Vorteile hatte.
Ein Grund zum Feiern also: Die Bürgerschaften beschlossen, fürderhin immer am zwölften Sonntag nach Trinitatis (also nach Pfingsten), ein Friedensfest „mit Singen, Musizieren und einer Predigt“ abzuhalten, wie es in den Chroniken heißt. Anders gesagt: immer am ersten Wochenende im September. Denn neben der Reichsfreiheit erhielten die – protestantischen – Dörfer auch ihre Religionsfreiheit wieder. Der Jugend in den Dörfern wurde erlaubt, einen Baum vor der Kirche aufzustellen und dann einen Tanz auf dem Platz davor (dem Plan) aufzuführen. Soweit ähneln sich die Bräuche in den beiden Dörfern bis heute. Es gab aber von Anfang an auch Unterschiede, nicht zuletzt auch bei der Tracht.
Beiden gemeinsam ist die Bedeutung: Heute steht längst nicht mehr der historische Anlass im Vordergrund, sondern das alljährliche Treffen von Familien und Freunden. Für die Kirchweihen kommen die Dörfler aus der ganzen Welt wieder nach Hause, um zu feiern und zu tanzen.
Mit 18 Jahren können die jungen Männer Planburschen werden. In Gochsheim beginnen sie, acht Tage vor der Kirchweih, Wein zu verkaufen. Das Dorf baute bis 1950 eigenen Wein an. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts besuchen die Gochsheimer Planpaare die Weinfeste der anderen Ortschaften im Landkreis und werben für die „Gochshumer Kärm“. Am Kirchweihsamstag wird dann zum Auftakt der Planbaum aufgestellt. Den Dorfschmuck verkaufen die 16- und 17-jährigen Fichtenburschen: Es sind frische Fichten, die mit Bändern dekoriert und vor allem an den Wirtschaften aufgestellt werden. Nachmittags gibt es dann ein „Ständeli“ (Tanz) der Planpaare beim Ersten und Zweiten Bürgermeister sowie beim Pfarrer.
Zum Gottesdienst am Sonntag ziehen in Gochsheim die Planburschen alleine. Erst zum Mittagessen sind die Paare wieder vereint. Mittels Ständeli beim Bürgermeister und beim Pfarrer erfolgt nach dem Essen die Einladung zur „Kärm“. Anschließend wird der Plankuchen geholt. Dem hat 1649 ein einfallsreicher Bäcker die Form des kaiserlichen Wappens mit dem doppelköpfigen Reichsadler gegeben. Im Laufe der Zeit wurde allerdings eine einfachere Form daraus.
Danach heißt es „Gennsdreckli austraten“ beziehungsweise „Gänsdreckles aushätschen“ in Sennfeld: Die Planburschen tanzen mit ganz kleinen Mädchen, um so deren Unbescholtenheit zu symbolisieren. Anschließend werden die Planmädchen abgeholt. Im Hause der Planältesten, also der Sprecherin der Paare, wird Kaffee und Kuchen serviert. Gegen 14.30 Uhr beginnt der Aufzug der Planpaare. Nach Tanz und Ehrungen eröffnet der Planälteste mit dem Ausruf: „Der Plaa is frei für jedermann“ den allgemeinen Tanz.
In Sennfeld heißt die Kirchweih „Kirm“. Der Trachtenverein „Die Semflder“ richtet sie unter dem Wahlspruch „Sitt und Tracht der Alten, wollen wir erhalten!“ aus. In Gochsheim passiert dies in Eigenregie der Planpaare.
In den Wochen vor dem Fest fällen die Sennfelder Fichtenburschen in ihrer blauen Arbeitstracht Fichten, und stellen diese am Kirchweihsamstag bei den Gaststätten und Gemeindemitgliedern auf. Ab 14 Uhr wird der Planbaum, begleitet von den Planpaaren und dem Musikverein „Die jungen Sennfelder“, durch das Dorf gefahren. Immer wieder hält der Tross an, um zu tanzen und zu musizieren. Dann wird der Planbaum aufgestellt. Dies geschieht unter dem Kommando „Hoh-Ruckauf“ nur mit Muskelkraft und althergebrachten Gerätschaften. Abends spielen „Die jungen Sennfelder“, und es werden die Planpaare vorgestellt.
Der Kirchweihsonntag beginnt mit dem Plangottesdienst vor der Dreieinigkeitskirche. Danach hält ein Planbursche die über Generationen überlieferte Planrede und lässt die Ehrengäste mit dem Ausruf „Vivat“ hochleben. Nach Aufzug und Tanz der Planpaare ist Tanz für jedermann. Beide Kirchweihen dauern bis Montag. Damit ist aber immer noch nicht Schluss: Eine Woche später findet am Sonntag die Nachkirchweih statt. „Treu dem guten alten Brauch“ auch nach 366 Jahren.
Zweimal Kirchweih, zweimal jahrhundertealtes Brauchtum
So feiert Gochsheim: Kirchweihsamstag, 5. September 14.30 Uhr Aufstellen des Planbaums 16 Uhr Musik mit dem Musikverein Gochsheim 19 Uhr Abmarsch mit Musik zu Bürgermeistern, Pfarrer und Gaststätte „Rose“
Kirchweihsonntag
9.30 Uhr Festgottesdienst in der Kirche St. Michael 13 Uhr „Gennsdreckli austraten“
14.30 Uhr Aufzug der Planpaare, anschließend Festbetrieb mit Plantanz
Kirchweihmontag 13.15 Uhr Eintreffen am Plan mit Plankuchen 14.15 Uhr Aufzug der Planpaare, anschließend Festbetrieb mit Plantanz 17.30 Ehrung ehemaliger Planpaare
Nachkirchweih, 13. September
13.15 Uhr Eintreffen am Plan mit Plankuchen 14.15 Uhr Aufzug der Planpaare, anschließend Festbetrieb mit Plantanz
So feiert Sennfeld:
Kirchweihsamstag, 5. September 14 Uhr Einholen des Planbaumes 15.30 Uhr Aufstellen des Planbaumes 19.30 Uhr Musik durch „Die jungen Sennfelder“ und Vorstellen der Planpaare
Kirchweihsonntag
13 Uhr Plangottesdienst
14 Uhr Aufzug und Tanz der Planpaare, anschließend Plantanz mit Festbetrieb
Kirchweihmontag 14 Uhr Aufzug und Tanz der Planpaare, anschließend Plantanz mit Festbetrieb 17 Uhr Ehrentouren der Planjubilare
Nachkirchweih, 13. September
14 Uhr Aufzug und Tanz der Planpaare, anschließend Plantanz mit Festbetrieb