Nicht die Technik, das Wetter war Thema an diesem frühen Samstagmorgen auf der Schleuse in Wipfeld. Es mache einfach keinen Spaß, bei Wind und Nässe stundenlang zu arbeiten, zu warten, bis sich millimetergenau alles löst, alles sitzt, sagt Schlichtmann. Geduld muss er, müssen die 30 Leute trotzdem haben, die die alten Tore per Autokran aus den Verankerungen heben lassen. Knallen 19 Tonnen Stahl auf eine Wand, gar auf eine Halterung, dann bleibt nicht nur eine Schramme, dann müssen Stahl- und Betonbauer und die Bauingenieure schnell eine Lösung finden. Denn klar ist, in zwei Wochen läuft die Schifffahrt, Zeitverzögerungen gibt es nicht. Als das erste Tor gehoben wird, kommt die Sonne.
Nach sechs Jahrzehnten haben sie ausgedient, die Tore der Schleusenkammern bei Garstadt und Wipfeld. Auf dem Wasserweg kamen die neuen nach viermonatiger Bauzeit in einer Flensburger Werft an den Main. Dort wurde es am Samstag spannend. Autokräne, die bis zu 300 Tonnen heben können, holten die alten und jeweils 19 Tonnen schweren Kolosse aus den Verankerungen.
Alljährlich werden im April die Schleusen am Main, Main-Donau-Kanal und an der Donau instand gesetzt. Auf der 760 Kilometer langen transeuropäischen Wasserstraße ruht dann der „Durchgangsverkehr“. Das Wasser und Schifffahrtsamt Schweinfurt, zuständig für den Bereich Viereth bis Rothenfels, hat diesmal Aufträge für 5,5 Millionen Euro vergeben. Trockengelegt sind seit dem Wochenende die Schleusen Steinbach, Würzburg, Wipfeld, Garstadt und Knetzgau. Besonders aufwendig sind die Arbeiten bei Wipfeld und Garstadt, weil nur hier der Austausch der Tore ansteht.
Von einem strengen Terminplan berichten die Bauingenieure des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA), Maik Rettstadt (zuständig in Wipfeld) und Kai Schlichtmann (Garstadt). Die Binnenschifffahrt kennt den Termin seit zwei Jahren, konnte sich auf ihn frühzeitig einstellen, um sicherzustellen, dass auch in diesem Jahr rund sieben Millionen Gütertonnen auf 10 000 Schiffen Garstadt und Wipfeld passieren. „Freie Fahrt“ wird auf dem Main am Montag, 26. April, 12 Uhr, gegeben.
Eingestellt wurde die Schifffahrt an den beiden Schleusen bereits am vergangenen Freitag gegen 15.30 Uhr. Vor und nach den Schleusenkammern wurden Notverschlüsse installiert, wobei Taucher zum Einsatz kamen. Anschließend galt es, das Wasser zwischen den Außentoren und den provisorischen Verschlüssen über Nacht abzupumpen. Am Samstag, um 8 Uhr, begann an beiden Standorten der Abbau. Jeweils 30 Mann des WSA und der Flensburger Stahlbaufirma Nobiskrug waren damit beschäftigt. Das Ausheben der alten Tore erstreckte sich dann von 10 Uhr bis in den späten Nachmittag hinein.
In Garstadt werden nur die Außentore ausgetauscht. Das Mitteltor bleibt. Es wurde vor 15 Jahren erneuert, nachdem ein Güterschiff das Tor gerammt hatte. Die funkelnagelneuen Modelle sind deutlich schwerer als die Vorgänger, wiegen 23 Tonnen. Stärkere Stahlbleche dienen der Sicherheit.
Bei der großen Revision (alle zwei Jahre, dazwischen ruht im April die Schifffahrt nur acht Tage) werden die 300 Meter langen und 12,5 Meter breiten Schleusenkammern genau unter die Lupe genommen. Die Becken werden vermessen, alle Schäden repariert. Am Montag beginnt auch schon die aufwändige Betonsanierung. Außerdem werden alle Stahlleitern, die in die Kammern führen, ausgetauscht. Die Kosten für die Sanierung in Wipfeld sind auf 1,5 Millionen Euro, die für die Schleuse in Garstadt auf eine Million Euro veranschlagt.