Geht das? Eine Theateradaption von Billy Wilders Kultfilm "Manche mögen’s heiß" aus dem Jahr 1959? Da waren Zweifel erlaubt, zumindest bei der Fangemeinde des Film-Welterfolges mit Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis. Kann man eine blutige Gangster-Abrechnung oder das erotische Verwicklungsspiel in einem Schlafwagenabteil auf der Bühne überzeugend darstellen? Das Euro-Studio bewies, dass es geht.
In einer Koproduktion mit dem Schlosspark-Theater Berlin und den Schauspielbühnen Stuttgart gelang dem Tourneetheater eine spritzige, temporeiche und aufwändige Version der verrückten Geschichte um Mafiamord, eine Frauenband, um Travestie und Liebe.
Oberste Maxime für Regisseur Klaus Seiffert war schon bei den Proben: "Bitte nichts kopieren". Das gelang auch meistens: Alina Schaumburg (Sugar Kane), Arne Stephan (Joe/Josephine) und Lukas Benjamin Engel (Jerry/Daphne) lassen durch ihre Spielfreude, ihr komödiantisches Können und durch das eigene Gestalten ihrer Rollen Marilyn, Tony und Jack bald vergessen. Mit Ralph Morgenstern als Millionär Sir Osgood Fielding III hat Seiffert ein besonderes As im Ärmel: Der beliebte Berliner Schauspieler weiß auch hier mit seinem vielseitigen Talent das Publikum zu begeistern.
Zurück ins Chicago von 1931
Chicago 1931. Die Band von "Sweet Sue" (Maryanne Kelly) hat ihren letzten Abend in der Stadt, bevor es mit dem Nachtzug nach Miami Beach geht. Manager Bienstock (Jens Krause) muss vorher noch die Positionen Bass und Schlagzeug neu besetzen. Da tauchen wie gerufen Kontrabassist Jerry und Saxofonist Joe auf, die ein Engagement suchen. Einziges Problem: "Sweet Sue" ist eine Frauenband. Als die beiden Musiker Zeugen eines Bandenmordes werden, müssen sie sich in Sicherheit bringen. Sie verkleiden sich und sind plötzlich als Josephine und Daphne willkommene neue Mitglieder der Band. Mit deren Sängerin Sugar beginnen die Turbulenzen.
Im Opening begrüßt Sugar mit der Girlband das Publikum im fast ausverkauften Gemeindehaus mit einem swingenden "Mädchen sind so heiß in Chicago". Heiß und bleihaltig ist auch der Auftritt von Jan Reimitz als Gangsterboss Spats Palazzo – Riesenbeifall für seinen perfekten Stepptanz. Ausgezeichnet auch die Ensembleszene mit Joe und Jerry und ihrem Song "Diese Schönheit macht Männer verrückt". Dieses Verrückt-Machen gilt besonders für die erotisch aufgeheizten Szenen im engen Schlafwagenabteil. Im knappen Babydoll besucht Sugar dort ihre "Kollegin" Daphne/Jerry und beide versichern sich: "Wir stehen uns nah". Doch für Jerry ist das viel zu nah, verzweifelt kämpft er mit der Autosuggestion "Ich bin ein Mädchen, ich bin ein Mädchen" gegen eine wachsende Anspannung.
Stehende Ovationen in Schweinfurt
Die kleine Band unter Leitung von Matthias Binner spielt mit Verve und Power. Doch den Songkompositionen von Jule Styne aus der ersten amerikanischen Musical-Version von 1972 fehlt es vollkommen an Ohrwurm-Qualitäten. Hier wären schon Marilyns Filmhits "I wanna be loved by you" und "Running wild" willkommen gewesen. Aber die Zeiten, in denen Musical-Melodien zu Evergreens wurden und im Great American Songbook ihren Platz fanden, sind eben längst vorbei. Sehr gelungen die große Tanzszene "Millionäre", die umwerfende Comedy mit Daphne und Sir Osgood und der Lovesong Osgood-Jerry "Wunderschön". Immer wieder gibt es Szenenapplaus - und nach dem schmissigen Finale feiern die Zuschauer das Ensemble mit großem Beifall und stehenden Ovationen.