1999 war der Sohn des langjährigen Sulzheimer Bürgermeisters Lothar Müller schon einmal vier Monate in Bosnien eingesetzt und später noch einige Male kurz in Bosnien, dem Kosovo und Mazedonien.
In Nordafghanistan war es Müllers Hauptaufgabe, Material- und Personalanforderungen für alle im Einsatzgebiet Nord eingesetzten deutschen Truppen zu prüfen und zu koordinieren und über Anträge aus den deutschen Kasernen in Mazar-e Sharif, Kunduz, Feysabad und Kabul, aber auch im usbekischen Termez, zu entscheiden.
Der Verantwortungsbereich Nordafghanistan besteht aus neun Provinzen mit einer Ausdehnung von 1200 mal 400 Kilometer. In diesem Raum leben etwa neun Millionen Menschen.
Aufbau-Unterstützung
Wie der 52-jährige Oberst erläutert, unterstützt die ISAF, die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, Afghanistan beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen. „Nach einem jahrzehntelang andauernden Kriegszustand sehnt sich die Bevölkerung nach Frieden und ein bisschen Wohlstand. Um Stabilität in der Region zu schaffen, unterstützt ISAF vor allem den Aufbau der staatlichen Sicherheitskräfte, zum einen durch Beratung und Ausbildung der afghanischen Armee und Polizei, zum anderen durch gemeinsame Operationen gegen kriminelle Gruppierungen“.
„Aufschwung zu verspüren“
Die Soldaten, so Müller, werden durch Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt, die unter dem ISAF-Schutzschirm Wiederaufbauprojekte wie Brunnen- und Schulbau organisieren und finanzieren. Die Bundeswehr und die deutsche Entwicklungshilfe haben seit zwei Jahren ihren Schwerpunkt nach Nordafghanistan verlegt. „Seitdem ist ein deutlicher Aufschwung zu verspüren. Dieses missfällt aber manchen kriminellen Machthabern, die mit illegalen Aktionen ihre Geschäfte machen. Nicht zuletzt deshalb kommt es immer wieder zu Anschlägen auch auf deutsche Soldaten oder Feldlager – durch ferngezündete Sprengvorrichtungen am Straßenrand oder durch Beschuss mit Raketen oder Panzerfäusten. Unsere Soldaten bewegen sich deshalb in Nordafghanistan nur in geschützten Fahrzeugen. Glücklicherweise kam während des über viermonatigen Einsatzes kein deutscher Soldat durch solche Aktionen ums Leben. Einige Verletzte werden wieder vollständig hergestellt werden können“, schildert der Oberst.
Die Bundeswehr, so Müller, leiste den größten Beitrag innerhalb des ISAF-Kontingents in Nordafghanistan durch Patrouillen und Aufklärung auch in entlegene Gegenden dieser gebirgigen Region. Sie betreibt den Flugplatz in Mazar-e Sharif, wo große Teile des Nachschubs aus Europa umgeschlagen werden, aber auch die Transportflugzeuge und Hubschrauber für die Versorgung und die deutschen Tornado-Aufklärungsflugzeuge stationiert sind. Bundeswehrärzte betreiben das deutsche Militärhospital, eine Einrichtung, die für alle ISAF-Soldaten alle fachärztlichen Bereiche bereithält und der Qualität eines Kreiskrankenhauses entspricht. Zwei deutsche Logistikverbände schaffen mit Transport, Instandsetzungs- und Pionierleistungen die Voraussetzungen für die anderen Truppenteile. So wurde laut Müller beispielsweise während des Sommers eine strategisch wichtige Brücke gebaut. Außerdem eine sechs Kilometer lange Straße.
Große Hitze und viel Staub
Neben der allgemeinen Bedrohung sind die Soldaten und das Gerät aufgrund der Witterungsbedingungen hohen Belastungen ausgesetzt. „Im Sommer war es über 45° C heiß. Die Region besteht zum allergrößten Teil aus Wüste, die nur in der Nähe von Flüssen Pflanzenbewuchs zulässt. Demzufolge sind die Soldaten auch einer hohen Staubbelastung ausgesetzt. Der Staub dringt in jede Ritze und belastet den Organismus. Es gibt außerhalb der großen Städte nur wenige asphaltierte Straßen, so dass die großen Entfernungen meist mit Hubschraubern oder Transportflugzeugen durchgeführt werden. Wenn es einmal regnet verwandelt sich binnen Minuten der Staub in Schlamm mit all den Problemen für Menschen und Fahrzeuge“, beschreibt Müller die klimatischen Gegebenheiten, unter denen die Soldaten ihren Dienst tun müssen. „Bis Ende September hatten wir tagsüber noch 40 Grad. Im Oktober war es dann angenehm warm, im November dann schon recht kalt mit Tagestemperaturen von um die zehn Grad“.
Jeden Tag Dienst
Urlaub oder freie Tage gab es für Müller nicht. „Gearbeitet wurde jeden Tag, auch sonntags, da allerdings erst ab 13 Uhr. Der Dienst dauerte in der Regel bis 20 Uhr. Oft habe ich auch noch nach 22 Uhr gearbeitet“, sagt Müller. Ohnehin seien die Freizeitmöglichkeiten in der Kaserne in Mazar-e Sharif, in der etwa 2200 Soldaten und etwa 400 afghanische Zivilisten Dienst tun, sehr bescheiden. „Es gibt lediglich ein großes Fitness-Zelt. Außerdem herrscht in der Kaserne Alkoholverbot, mit Ausnahme von Bier, das es abends von 20 bis 22 Uhr, zwei Dosen pro Mann, gibt.“ Nach Hause telefonieren sei sehr teuer. 100 Euro im Monat seien da schnell weg. „E-Mails-habe ich viele an meine Frau und die beiden Söhne geschrieben“, sagt Josef Müller.
Vom Land gesehen hat Müller nicht sehr viel. „Es ist immer mit Anschlägen zu rechnen. Die Soldaten, die ihren Arbeitsplatz in den festen Lagern haben, verlassen diese nur selten. Sie sollen keiner unnötigen Gefahr ausgesetzt werden. Leider besteht wenig Möglichkeit, sich die reichhaltigen Kulturgüter dieser geschichtsträchtigen Region anzusehen“, bedauert Müller ein wenig. Nur einige Male verließ er die Kaserne und nur, wenn er dienstlich in anderen Einrichtungen zu tun hatte. „Die Fahrten im Bereich der Stadt erfolgten grundsätzlich in gepanzerten Fahrzeugen, entweder Pkw oder Radpanzern, und nur mit mindestens zwei Fahrzeugen hintereinander und in zügiger Fahrt.“
Ausgeh-Verbot
Einmal hat er die berühmte blaue Moschee in Mazar-e Sharif, einer 240 000-Einwohner-Stadt, gesehen, aber nur von außen. Aussteigen und die Sehenswürdigkeit zu besichtigen wäre zu gefährlich. „Weil es einige Anschläge gab, haben wir unseren Soldaten verboten, in die Stadt zu gehen“, sagt Müller.
Doch auch wenn die Lage noch sehr schwierig sei, so sei dennoch für jeden zu erkennen, dass die deutschen Bemühungen Früchte tragen.
Zur Person
Oberst Josef Müller ist Angehöriger der Division Spezielle Operationen (DSO) in Regensburg. Diese Division führt truppendienstlich die deutschen Fallschirmjägerkräfte und Spezialkräfte des Heeres. Müller nimmt im Divisionsstab die Funktion eines Abteilungsleiters wahr. Der 52-Jährige ist Soldat im 32. Dienstjahr und stammt aus Alitzheim. Nach seiner Versetzung zur DSO im Jahr 2005 zog er wieder nach Unterfranken. Er wohnt mit seiner Familie in Wiesentheid und pendelt von dort aus nach Regensburg. Vor seiner Tätigkeit in der Domstadt war er im Bundesverteidigungsministerium in Bonn Referent für satellitengestützte Ausklärung. Stationen seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr waren zuvor Ebern, Hammelburg, München (Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Abschluss als Diplom-Kaufmann), dann wieder Ebern und Hammelburg, Hamburg, Sigmaringen, Bad Reichenhall, Bad Neuenahr, Münster und Koblenz.