Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

SCHWEINFURT: velotech prüft Fahrräder: „Schwabbeln“ kann nicht jedes Material

SCHWEINFURT

velotech prüft Fahrräder: „Schwabbeln“ kann nicht jedes Material

    • |
    • |
    Prüfstand: Bei der Firma velotech von Ernst Brust (im Bild) werden Räder und Komponenten auf Herz und Nieren geprüft.
    Prüfstand: Bei der Firma velotech von Ernst Brust (im Bild) werden Räder und Komponenten auf Herz und Nieren geprüft. Foto: Foto: Hannes Helferich

    Der monatliche Stammtisch des wiederbelebten ADFC-Kreisverbands Schweinfurt fand im September mal nicht im „Vereinslokal“, sondern bei der Firma velotech in der Gustav-Heusinger-Straße statt. Das lockte immerhin 20 Radsportfreunde an, die zwei kurzlebige Stunden mit Ernst Brust erlebten.

    Der velotech-Gründer und -Geschäftsführer ist Fördermitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, für den Brust als vereidigter Sachverständiger oft Test-Aufträge erledigt. Beispielsweise sind Fahrrad-Abstellanlagen in Brusts „Dienstleistungszentrum für Produktsicherheit“ geprüft und bewertet worden. Das ADFC-Siegel „empfehlenswert“ ist für Käufer – wie in diesem Fall Kommunen – wichtiges Kriterium bezüglich Qualität und Sicherheit.

    Beim aktuellen Termin stand das E-Bike im Mittelpunkt. Seit 31. Mai 2013 ist Brust zusätzlich Sachverständiger für Elektrofahrräder, verliehen von der IHK Würzburg-Schweinfurt.

    1991 gründete der „Fahrrad-Freak“, wie sich er sich selbst nennt, die Firma velotech, die seit der Gründung Fahrräder aus Europa, Asien und Amerika prüft. Seit 1996 ist Brust Sachverständiger für Rollstühle und Gehhilfen, mittlerweile prüft er auch Sportgeräte für Fitness-Center.

    Die Initiative zum Erwerb des Titels auch für Elektrofahrräder ging vom 61-Jährigen aus, weil die 2004 begonnene Nachfrage nach Elektro-Rädern „explosionsartig“ gestiegen sei. Bis zu 600 Modelle sind bei velotech schon getestet worden. Kernthema ist bei allem: Die Verkehrssicherheit der gegenüber Rädern ohne Akku viel schwereren E-Bikes. Viel hängt dabei davon ab, wo und wie die bis fünf Kilogramm schweren Motoren und bis sechs Kilogramm wiegenden Akkus eingebaut sind.

    Kritisch ist in Sachen Sicherheit vor allem der Akku zu beurteilen. Dieser kann bei unsachgemäßer Behandlung oder mangelhafter Verarbeitung explodieren und/oder in Brand geraten. Tadellos funktionieren muss zudem die Abstimmung des Motors (in der Regel 250 Watt) im Vorder-, Hinterrad oder am Kurbelwerk mit der Steuerung durch den Bordcomputer am Lenker.

    Brust zeigte – unterstützt mit Power Point und eingespielten Filmsequenzen – die Probleme, die Motorradfahrer kennen: Das so genannte Pendeln, wenn wegen des falschen Schwerpunktes das Hinterrad, oder Flattern, wenn das Vorderrad für den Fahrer fast unkontrollierbar wechselweise „ausschlägt“. Da habe es schon schwerste Unfälle gegeben, berichtete Brust. Bei den Pedelecs sei gerade das „Flattern ein Riesenproblem“. Die Gründe liegen am höheren Gewicht, seiner falschen prozentualen Verteilung (hinten 70, vorne 30 Prozent) und den mit E-Bikes möglichen höheren Geschwindigkeiten, schilderte Brust.

    Nach dem kurzweiligen Vortrag Firmenrundgang. In den Werkstätten werden in der Regel Gutachten nach Unfällen und über neue Fahrräder und andere muskelbetriebene Fahrzeuge erstellt. Zu den Kunden gehören Gerichte und Versicherungen sowie nahezu alle namhaften Hersteller von Fahrrädern und/oder Fahrradkomponenten.

    Unterstützt werden die fünf Zweiradmechaniker und sechs Techniker bzw. Ingenieure von punktuell eingesetzten Testfahrern, oft technikinteressierte Studenten. Sie prüfen auf der Straße und im Gelände die Sicherheit der Räder und die Wirkung von Schaltungen oder Bremsen. Stimmt alles, darf velotech zertifizieren, also die begehrten Gütesiegel verteilen.

    Brust zeigt die von velotech entwickelten Prüfstände für ganze Fahrräder oder auch nur einzelne Komponenten. Solche Prüfstände made in Schweinfurt stehen mittlerweile bei einigen Herstellern selbst. An einem Prüfstand erhalten Lenker bis zu 100 000 vom Computer veranlasste Schläge, als Simulation einer Abfahrt im Gelände. Auf dem Stand daneben werden 10 000 Bremsungen an einem Werksfahrrad simuliert.

    Die unzähligen an den Decken hängenden Fahrräder sind alle mal getestet worden, bleiben im Firmenbesitz, womit sich jederzeit feststellen lassen kann, ob ein Hersteller wirklich das verkauft hat, was einst auf dem Prüfstand stand.

    Auf Prüfständen wurden anfangs die Räder mit Sandsäcken beschwert, als Ersatz fürs Körpergewicht und die Bewegungen der Radler. „Doch Sand schwabbelt nicht wie der Mensch“, lacht Brust. Er erinnerte sich aber seiner 20 Jahre in der Wälzlagerindustrie: Brust kam auf die Idee, leicht deformierte Stahlkugeln in Säcke zu packen, die dann bei jeder Bewegung wunschgemäß „schwabbeln“.

    Am Ende zeigte Brust einige gravierende Fehler von Herstellern wie gebrochene Gabeln oder Pedale. Sie seien aber nicht immer die Schuldigen. Ein Beispiel: Ein Kunde hatte bemängelt, dass die Gabel beim Durchfahren einer Mulde mit nur zehn Stundenkilometer gebrochen sei. Auf seinem Prüfstand konnte Sachverständiger Brust in diesem vor Gericht gelandeten Fall nachweisen, dass dieser Radfahrer wesentlich schneller war, als angegeben.

    Der Stammtisch des ADFC ist jeden zweiten Dienstag im Monat. Der nächste am 14. Oktober, um 19 Uhr in der Gaststätte Sicilia, Friedrich-Ebert-Straße.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden