Klar: Der Besuch des Landesbischofs hat den 20. von 22 Tagen Vesperkirche am Freitag zu etwas Besonderem gemacht. Heinrich Bedford-Strohm ist aber „einer von uns“, der nach dem „Wort in der Mitte“ beim Mittagessen das Gespräch mit den unterschiedlichsten Gästen führte. Vesperkirche eben. Pfarrerin Gisela Bruckmann hatte diese Erwartung in der Morgenrunde für die Ehrenamtlichen zum Ausdruck gebracht: „Wir leben Vesperkirche, auch heute, lassen uns nicht hetzen vom Ansturm“, sagte sie.
Danach zogen sich 17 Männer und 43 Frauen ihre Vesperkirchenschürze an und los ging's. Wie immer öffnete sich das Tor um 11.30 Uhr, die Wartenden strömten ins Kircheninnere. Größter Ansturm bisher war am Donnerstag mit 570 Essen. Am Freitag waren es trotz Bischof und anderer Erwartung nicht so viele. Die 489 Essen waren erneut eine beachtliche Leistung der Köche im Leo, im Löhe-Heim und der Helfer in St. Johannis. Essensgast Nummer 303 am Freitag war der 10 000. bisher: Monika Endres aus Schweinfurt. Sie wurde extra begrüßt.
„Ich freue mich so richtig, über die schöne, volle Kirche“, sagte der Landesbischof und Vorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, kaum hatte er St. Johannis betreten. Das Projekt bezeichnete Bedford-Strohm als „wichtiges Element dessen, was meine Vision von Kirche ist“. Auch er sprach die Besinnungsworte um 13 Uhr, stieg dazu auf die Kanzel „in der Mitte“. Die Gäste unterbrachen ihre Mahlzeit, die Helfer hielten inne.
Wie wollen wir leben? Was gibt uns Orientierung? Jeder Mensch gehe diese Fragen anders an, sagte Bedford-Strohm. Der „private Genießer“ etwa, der den Glauben verloren hat, dass sich etwas ändert, verbringe den Tag „so gut wie möglich“. Das aber sei so wenig attraktiv wie das Verhalten des wegen einer Enttäuschung „skeptischen Beobachters“.
In einer Welt, in der Gewalt herrscht, Starke Schwache drücken, Menschen den Hungertod sterben, sei der Weg der „aufgeklärten Humanität“, der Menschlichkeit der für ihn richtige. In der Vesperkirche werde dieser Weg gegangen, werde dem Schwachen Würde und ein Recht auf das Leben leben gegeben.
„Ich habe Respekt für Menschen, die sich für andere einsetzen“, sagte Bedford-Strohm. Dann deutete er auf eine Gruppe Helfer. Ihre Schürzen zeigten an: „Es gibt Menschen, die anderen dienen wollen, daran auch Freude haben, die vielleicht deshalb sogar glücklich sind“, sagte er und fügte an: „Und das ist wunderbar“. Da brandete Beifall auf.
Die „Anweiser“ führten den Bischof an einen freien Platz. Bei Kassler Braten mit Buttererbsen und Kartoffelpüree – für die Vegetarier überbackenen Blumenkohl mit Petersilienkartoffeln und Salat – kam der Landesbischof mit „seinen“ Tischnachbarn bestens ins Gespräch. An der Kaffee- und Kuchentheke setzte sich das fort. Bedford-Strohm traf mehr zufällig auf den katholischen Diakon Michael Wahler, den die „Vesperkirche auch begeistert“.
An einem anderen Tisch saß Landrat Florian Töpper. Das ältere Ehepaar, die Frau neben sich, kannte er nicht, aber die Gespräche beim Mittagessen „waren gut“, zeigte sich Töpper beeindruckt vom Miteinander. Im Hintergrund war der städtische Sozialreferent Jürgen Montag in der Spülküche gefordert.
Im Herrenchor gegenüber wirbelten Elfriede Koch und Elisabeth Thieme. Das Freitags-Angebot im Sozialdienst war Haareschneiden. Bei der Premiere letzte Woche gab es 18 Anmeldungen. Koch konnte nur zehn „bedienen“. Thieme, ebenso gelernte Friseurin und schon die ganze Zeit in der Vesperkirche aktiv, stand ihr deshalb zur Seite. 32 Köpfe konnte das Duo schneiden, der Großteil Menschen, die aus finanziellen Gründen „froh waren über das Angebot“, wie ein 45-jähriger Hartz-IV-Empfänger sagte.
Die dritte Abendveranstaltung am Donnerstag bestritten Steffi List und die OBA-Gruppe Mosaik, Menschen mit Handicap, die „so toll gesungen und getanzt haben“, schilderte Pfarrerin Bruckmann. Ihr Auftritt an diesem Ort sei nicht alltäglich. „Es ist deshalb schön, dass sie hier ihren Platz gefunden haben.“
Noch zweimal gibt es Vesperkirche. An beiden Tagen messen die Johanniter kostenlos den Blutdruck. Am Sonntag im Gottesdienst (10.30 Uhr) vor der letzten Mahlzeit hält Regionalbischöfin Gisela Bornowski (Ansbach) die Abschlusspredigt.