Bundesweite Aufmerksamkeit bei Theaterliebhabern erhält der Passionsspielort Sömmersdorf: Dort veranstaltet vom 12. bis 15. September der Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) sein 3. Volkstheaterfestival "Wurzelwerk" – und zwar erstmals in Bayern. Es geht um Sprache und Dialekte, um verschiedene Genres und für die Zuschauer um tiefe Einblicke in die regionale Vielfalt Deutschlands.
Die deutsche Sprache ist bunt: Das werden die sechs Amateur-Theatergruppen beweisen, wenn sie beim Festival in Sömmersdorf in der Robert-Seemann-Halle und auf der Freilichtbühne auftreten. Ausgewählt für das bundesweite Treffen wurden sie aus zahlreichen Bewerbungen vom BDAT, erläutert der Vorsitzende des Vereins Fränkische Passionsspiele Sömmersdorf, Robert König. Auf seinen Verein als Ausrichter war der BDAT vor zwei Jahren zugekommen, die Sömmersdorfer sind dort Mitglied.

Kombiniert wird das Festival erstmals mit der Bundesversammlung des BDAT in Geldersheim, die die "Galderschumer Theatergruppe" ausrichtet. Vertreter aus allen Mitgliedsverbänden tagen dort im Fränkischen Hof. Außerdem gibt es dort Workshops für die "Wurzelwerk"-Teilnehmer: in Körpersprache und Bewegung sowie in der Maske. Mitveranstalter ist außerdem die Arbeitsgemeinschaft Mundart-Theater Franken. Die Schirmherrschaft für das Festival hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder übernommen.
"Volkstheater ist ein weiter Begriff", weiß König. Das kann im ursprünglichen Sinn "Theater für das Volk" sein, wie es seit dem 18. Jahrhundert geprägt wurde. Oder auch Volkstheater im Sinne von Laien- oder Amateurtheater.
Die Idee dieses Festivals "Wurzelwerk" – mittlerweile das dritte nach 2015 und 2017 – entstand durch die Frage, welche Bedeutung das Volkstheater in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland hat und welche Rolle die Sprachen und Mundarten dabei spielen. Der Dialog zwischen den verschiedenen kulturellen Wurzeln des Volkstheaters und den hiesigen Bevölkerungsgruppen soll hergestellt werden.

"Beim Wurzelwerk steht die Begegnung im Mittelpunkt", ist sich König sicher, das Fachsimpeln unter Theaterleuten, die auch nach jeder der sechs Vorstellungen in Sömmersdorf beim "Nachgespräch" dabei sein können. Mit Spannung erwartet nicht nur König die Theatergruppen, die ganz unterschiedliche Inszenierungen von traditionell bis modern zeigen werden.
"Spielbrett" aus Dresden kommt mit der "Dramödie" "Shakespeares Kaufmann" angereist. Das Theater Rosenheim hat mit seinem Stück "Der Pfennigfuchser" Molières Werk "Der Geizige" ins Oberbayerische übertragen. Ihre ungewöhnliche Eigenproduktion "Alice Fantasieland" zeigt die Kinder- und Jugendtheatergruppe "Skomorochi" des deutsch-russischen Kulturvereins Brücken e.V. aus Erlangen. Dabei experimentiert die Gruppe mit der Form des "Absurden Theaters" und mit einer parallelen Aufführung live auf der Bühne und als Film auf der Leinwand.

Aus dem Überwald in Hessen kommt die gleichnamige Sommerspiele-Theatergruppe, die das Schicksal des "Dorfteufel – Michael Hely" erzählt. Es ist ein Stoff aus dem 19. Jahrhundert in der dortigen Region, eine "emotionale Lebensgeschichte". Aus allen Landesteilen Südtirols stammt die Theatergruppe "Überholspur", die als Gast beim "Wurzelwerk" auftritt. In ihrer Eigenproduktion "Glocken – läuten" beschäftigt sie sich in allen drei Landessprachen – Deutsch, Italienisch, Ladinisch – mit den freudigen oder traurigen Anlässen des Glockenklangs. Ein Heimspiel hat die Galderschummer Theatergruppe des Vereins für Heimat- und Brauchtumspflege mit ihrer Komödie "Ein Schmitt wohnt selten allein".
Für den Sömmersdorfer Passionsspielverein bedeutet das viertägige Festival viel Organisation. "Wir kümmern uns um den Ablauf, die Versorgung der Teilnehmer und Zuschauer, um die Technik, die Requisiten, wir helfen beim Bühnenbau", zählt König auf. Er braucht freiwillige Helfer hinter der Theke, an der Kasse und beim Platzanweisen. "Es sind sechs kleine Veranstaltungen", sagt er, vier davon können in der Halle von nur 200 Zuschauern besucht werden. Den größten Teil davon werden die Theaterspieler der anderen Bühnen stellen.
Zwei Nachmittags-Aufführungen werden auf der Freilichtbühne gespielt, "da können dann mehr Zuschauer kommen". Diese Open-Air-Veranstaltungen werden die Schauspieler ohne Headsets bewältigen. Nur am Bühnenrand werden einige Mikrophone aufgestellt. "Uns geht’s beim ‚Wurzelwerk‘ um den Austausch unter Theaterleuten", unterstreicht König. "Man trifft dabei immer auf Freunde".
Festival-Programm „Wurzelwerk“ Donnerstag, 12.9.: 20 Uhr: "Ein Schmitt wohnt selten allein", Galderschummer Theatergruppe (Robert Seemann-Halle) Freitag, 13.9.: 15 Uhr: Shakespeares Kaufmann, Spielbrett Dresden, Freilichtbühne, 19.30 Uhr: Der Pfennigfuchser, Theater Rosenheim (Robert Seemann-Halle) Samstag, 14.9.: 10.30 Uhr: Alice Fantasieland, Kinder- und Jugendtheatergruppe Skomorochi, Erlangen (Robert Seemann-Halle), 16 Uhr: Der Dorfteufel – Michael Hely, Sommerspiele Überwald (Freilichtbühne), 20.30 Uhr: Glocken – läuten, Überholspur, Südtirol (Robert Seemann-Halle). Sonntag, 15.9.: 12 Uhr: Dokumentationsfilm Fränkische Passionsspiele Sömmersdorf (Freilichtbühne), 12.30 Uhr: Podiumsdiskussion: Was bedeutet Volks- und Mundarttheater heute? (Freilichtbühne) Kartenvorverkauf: Rathaus Euerbach, Telefon (09726) 91550, E-Mail; gemeinde@euerbach.de und Tourist-Info Schweinfurt 360 Grad, Telefon (09721) 513600, E-Mail: tourismus@schweinfurt360.de Der Freistaat fördert das Festival mit 10 000 Euro aus Mitteln der Heimatpflege.