Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

HERGOLSHAUSEN: Volles Rohr böhmisch

HERGOLSHAUSEN

Volles Rohr böhmisch

    • |
    • |
    „Und dann macht der Horst hoppa, hoppa, hopp-dada-di“: Rudi Fischers Anweisungen sind immer klar und anschaulich.
    „Und dann macht der Horst hoppa, hoppa, hopp-dada-di“: Rudi Fischers Anweisungen sind immer klar und anschaulich.

    Hergolshausen an einem nasskalten Freitagabend im Januar. Der Ortskern ist menschenleer und dunkel, sieht man vom trüben gelben Licht der Straßenlaternen ab. Neben der Kirche ein strenger Gründerzeitbau. Die Alte Schule. Hier residieren die Hergolshäuser Musikanten. Drinnen, im ersten Stock, ist es warm und hell. Im großen Probenraum gurgelt ein Gasofen. An den Wänden hängen Plakate von Vorbildern wie den Original Egerländer Musikanten. In einer Vitrine sind die sieben bislang eingespielten CDs ausgestellt, an den Fenstern hängen Stores mit Notenschrift-Muster, an die Korkwand hat jemand einen Zeitungsausriss gepinnt, der eine „Tenorhorn-Toilette“ zeigt (die Tenorhornisten im Orchester haben offenbar nichts dagegen).

    Die beiden Räume nebenan sind hergerichtet wie ein kleines Bistro. Hier sitzen sie nach den freitäglichen Proben zusammen, hier wird per Zuruf geklärt, wer Zeit hat, die nächste Messe oder die nächste Beerdigung zu spielen. Die Hergolshäuser Musikanten sind zwar seit vielen Jahren ein gefragtes Orchester für böhmisch-mährische Blasmusik, sie sind dreimal Europameister geworden, sind oft im Fernsehen, im Radio sowieso, und nahezu jedes zweites Wochenende auf Achse. Aber sie sind immer noch auch die dörfliche Blaskapelle, die ihren Pflichten daheim nachkommt. Bis vor zwei Jahren haben sie auch noch Stimmungsmusik in Bierzelten gemacht, aber das wurde dann doch zu viel. Schließlich hat hier jeder noch einen bürgerlichen Beruf. Als Notarfachangestellte, Industriemeister, Wirtschaftsingenieur, Professor für Agrarwirtschaft oder „Managerin eines kleinen erfolgreichen Familienunternehmens“, wie es in der Selbstvorstellung des Orchesters heißt.

    Nach vier Wochen Pause trudeln die Musikanten zur ersten Probe im neuen Jahr ein. Die Stimmung ist aufgekratzt, Gerald Stühler, ein Freund des Orchesters, hat ein kleines Bierfass angeschleppt, das sofort fachkundig angestochen wird. Ungespundetes Bier aus Maroldsweisach – in den nächsten zwei Stunden wird Stühler Maßkrug um Maßkrug ins Orchester reichen.

    Die Hergolshäuser, gegründet 1973 und seit 1981 geleitet von Rudi Fischer, haben eine offensichtlich effektive Mischung aus lockerem Umgangston und konsequenter Probendisziplin entwickelt. Da wird „Hörst du die Glocken von Stella Maria“ mal kurz zur allgemeinen Erheiterung in „Siehst du die Glocken. . .“ umgedichtet, aber anschließend sofort hochkonzentriert weitergespielt.

    Die Mitglieder sind zwischen 18 und 63 Jahre alt, der Großteil wohl so zwischen 35 und 45, sagt Katja Lutz, Tenorhornistin und im Vorstand des Musikvereins fürs Management zuständig. Ihr Mann Norbert spielt Flügelhorn. Es gibt mehrere Paare bei den Hergolshäusern, manche Partner haben sozusagen reingeheiratet, sagt er. Die Liebe zur böhmischen Blasmusik eint das ganze Orchester, auch wenn hier bestimmt höchst unterschiedliche Charaktere zusammengefunden haben. „Was wir hier haben, das habe ich noch nirgends gesehen“, sagt Norbert Lutz.

    Rund tausend Stücke haben sie drauf und immer auch dabei: Jede Musikerin, jeder Musiker schleppt – neben dem Instrument – eine prall gefüllte Sporttasche (mit Hergolshäuser-Musikanten-Aufschrift) mit sich, in der alle Stücke in dicken Kladden zusammengefasst und nach alphanumerischem System geordnet sind. Rudi Fischer muss nur etwa „A 376“ sagen, und Sekunden später erklingt „Just for you“.

    An diesem Abend geht es nicht so sehr ums Verfeinern, ums Schleifen und Polieren. Fischer macht eine kleine Rundreise durchs Repertoire, damit nach der langen Pause alle wieder reinkommen. Dieses Repertoire besteht zu 80 Prozent aus böhmischer Blasmusik. Die ist nicht so schnell wie die mährische. Sie ist geradliniger, melodiöser und geht einfach ins Ohr, sagt Rudi Fischer. „Sie ist halt einfach schön.“ Die mährische Musik ist schnell, hoch, laut, sie hat viele Soli und viele Schnörkel. Die gefällt besonders der Jugend gut, sagt Fischer. „Da ist mehr Action drin.“

    Böhmische Blasmusik ist eher was fürs Gemüt, das begreift man schnell, wenn die Tenorhorngruppe mit ihren heimeligen Kantilenen loslegt. Dieser satte, runde, warme Klang geht direkt zu Herzen. In den hohen Lagen dominieren hier auch die Flügelhörner, die klingen nicht so grell wie die Trompeten, die eben in der mährischen Musik verstärkt zum Einsatz kommen.

    Die Stücke heißen „Du schönes Egerland“, „Leb' dein Leben“ oder „Sandkastenliebe“. Mitunter wird auch gesungen, dann klingt es besonders idyllisch. Diese Musik lebt vom Wohlklang. Und vom Können und der Begeisterung der Musiker. Da ist Schwung drin und auch eine Menge Witz. Und irgendwie erinnert es in seiner unmittelbaren Vitalität gar nicht an die glatte Playback-Welt des „Musikantenstadl“. Das unschicke Image der Blasmusik stinkt Rudi Fischer, der im Hauptberuf Qualitätsingenieur ist, schon lange. „Wenn unsere Jugendlichen erzählen, dass sie diese Musik spielen, kriegen sie immer ein ungläubiges ,Was?!' zu hören.“ Aber einen Vorteil hat es, dass die böhmische Musik so wenig in den großen Radiosendern zu hören ist, sagt Fischer: „Die Fans sind auf das Live-Ereignis, also unsere Konzerte angewiesen – und sie kommen.“

    Ein solches Live-Ereignis steht unmittelbar bevor: „Zauber der Blasmusik . . . volles Rohr böhmisch!“ ist eine der Hauptveranstaltungen des Musikvereins im Jahreslauf. Ein ganzer Blasmusiktag mit den Hergolshäusern und ihren Gästen, allesamt ausgewiesene Fachkräfte des Böhmisch-Mährischen: Peter Schröppel und seine Schwabenländer Musikanten, Viera Blech aus Kössen in Tirol und die Scherzachtaler spielen am kommenden Sonntag, 29. Januar, ab 10 Uhr im Freizeitzentrum Waigolshausen auf.

    Als Kontrast lässt Rudi Fischer in der Probe nun die mährische Polka „Jundrovská“ auflegen. Die Flügelhornisten greifen zur Trompete, und schon ist der Klang um einiges heller. Die Trompeten geben einige rasante Passagen vor, die Tenorhörner folgen wacker und dann müssen die beiden Gruppen nochmal unisono ran. Das klingt aus dem Stegreif ein bisschen wacklig, aber nach ein, zwei langsamen Durchläufen sitzen die virtuosen Stellen deutlich besser.

    Zum Schluss kommt „Wir sagen Dankschön“. Rudi Fischers Anweisungen sind immer klar und plastisch: „Im Holz bitte angeberischer, und dann macht der Horst hoppa, hoppa, hopp-dada-di.“ Alle lachen, und Schlagzeuger Horst Mergans weiß genau, was er zu tun hat. Und so klingt es an diesem vorgerückten Freitagabend im Januar bis zuletzt volles Rohr böhmisch in der Alten Schule in Hergolshausen.

    Es gibt noch Karten für „Zauber der Blasmusik“ am 29. Januar unter Tel. (0 97 22) 65 97.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden