Schweinfurt Ben Becker hatte am Vortag noch über die Akustik in der Großen Halle der Kunsthalle gemeckert, die King's Singers sind so begeistert davon, dass sie beschließen, ohne jegliche Verstärkung aufzutreten. In der Tat: Die Halle scheint wie gemacht für filigrane Klänge, und das Glück eines glockenreinen Akkords ist ungleich größer, wenn er nicht aus dem Lautsprecher kommt. Und es tritt oft ein, dieses Glück. Dauernd eigentlich.
Die King's Singers singen makellos wie eh und je: Intonation, Dynamik, Balance kommen so mühelos perfekt, dass man nach einer Weile sogar das Staunen darüber vergisst, sondern sich mehr und mehr diesen überirdischen Klängen überlässt. Das britische A-Cappella-Sextett hatte für seinen Nachsommer-Auftritt ein spätsommerlich/herbstliches Programm zusammengestellt – Stücke über den Abschied vom Sommer, von der Liebe, vom Leben.
Der Eingangs-Block mit Madrigalen von Hans Leo Hassler, Ludwig Senfl und Orlando di Lasso zeigt einmal mehr, wie unglaublich bunt und aufregend die Musik des 16. Jahrhunderts ist. Wenn man sie derart kundig und pointiert singt. Das Leid getrennter Liebender, die Formen menschlicher Nasen, das Läuten der Kirchenglocken oder das Palaver der Gemeinde – lautmalerische und harmonisch oft ziemlich waghalsige Stücke voller Witz und/oder Tiefe.
Konzerte der King's Singers haben einen ganz besonderen Reiz: Man weiß schon vorher, dass einfach alles stimmen wird. Und man weiß schon vorher, dass man Vertrautes wiederhören und Neues entdecken wird. Benjamin Brittens „Choral Dances“ aus der Oper „Gloriana“ etwa, eine Folge von Tänzen, die meisterhaft elisabethanische Anmutung mit Brittens ganz eigener Harmonik verbindet. Diese Musik ist – anders als viele Stücke dieser Zeit – seit 1953 kein bisschen gealtert, und so wird dieser Programmpunkt zur aufregenden (Wieder-)Entdeckung eines großen Komponisten.
Englische Spätromantik scheint beim Thema Nachsommer thematisch besonders ergiebig zu sein: Die Lieder von Parry, Stanford, Coleridge-Taylor und Sullivan tauchen den Saal in das milde Licht des nahenden Herbstes. Hier ist alles Besinnung, Rückschau, zur Ruhe Kommen. Der E-Musik-Block ist diesmal deutlich größer als der mit U-Musik, was nach der Pause Raum gibt für vier Brahms-Lieder, die einen Hauch – freilich anspruchsvollster – Liedertafel in die Halle bringen. Doch dann (für manche Besucher: endlich) die „Simple Gifts“ – die schlichten Geschenke, die freilich alles andere als schlicht sind. Arrangement und Umsetzung adeln alles, was die King's Singers auf's Programm setzen – ob der mit seligem „Ahhh“ begrüßte Dauerbrenner „Greensleaves“ oder Mikas „By The Time“. Großartig auch die spanische Version von „Gitarren spielt auf“ der Comedian Harmonists, in der sie sich sogar zu einer Art Minimalchoreografie hinreißen lassen. Und ein Meisterstück an lockerem Swing ist Nat King Coles herrliche Nonsense-Nummer „Straighten Up And Fly Right“.
Diesmal bleiben sie nicht – wie vor zehn Jahren in Halle 149 – im Aufzug stecken. Die Zugaben kommen ohne Verzögerung, und man wünschte sich, es könnte die ganze Nacht so weitergehen.