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Von der Bedeutung der Fantasie: Rückert und die Nazarener

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Von der Bedeutung der Fantasie: Rückert und die Nazarener

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    Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld: Sturz vom Felsen, 1833.
    Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld: Sturz vom Felsen, 1833.

    Im Jubiläumsjahr Friedrich Rückerts (1788-1866) präsentiert das Museum Georg Schäfer eine Bildauswahl zu Themenkreisen, mit denen sich der Dichter bis zu seiner Rückkehr aus Italien beschäftigt hat und die er, mitunter zeitversetzt, in Versform veröffentlichte. Für diesen Ansatz der Gegenüberstellung literarisch formulierter Gedanken zu Gemälden und Zeichnungen wurde seit Dezember 2015 ein besonderes Gestaltungskonzept für die Ausstellungsräume entwickelt. Es soll mit malerischen Mitteln die Bedeutung der Fantasie für die Rezeption des Mittelalters in den Nachbargattungen Literatur und Bildende Kunst veranschaulichen und den zeittypischen, aber auch sinnlichen Rahmen für diese gattungsübergreifende Ausstellung bilden.

    Durch den Umschwung zu Realismus und Naturalismus wurde die historische Fantasie als maßgeblicher künstlerischer Impetus mehrerer Epochen immer stärker in andere Genres abgedrängt und wird heute für die Schöpfung von Kunstwerken als minder wichtig eingestuft. Diese Sichtweise der Moderne behindert allerdings den Zugang sowohl zur fantasiegeneigten Lyrik als auch zur Malerei der Romantik. Ein weiteres Ziel der Ausstellungsgestaltung ist es, den Betrachtern geistige Brücken von Rückerts Gedanken hin zu den Bildern zu bauen.

    Insbesondere sein, von dem damaligen württembergischen Kultusminister von Wangenheim als Geniewerk gefeiertes Gedicht „Bau der Welt“ (1814) konnte als Aufruf zur Weiterführung und Vollendung mittelalterlicher Baukunst verstanden werden. Eine solche unmittelbare Wirkung ist bei den Werken des Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872) und seines Kreises zu vermuten, wenn Schnorr, ganz im Unterschied zu den Brüdern Franz und Johannes Riepenhausen, bereits in den frühen Bildern mit Mittelalterbezug die architektonischen Strukturen betont und historisierend wiedergibt. Schnorr und Rückert blieben auch nach der Rückkehr nach Deutschland in Briefkontakt.

    Mit Franz Catel, Carl Philipp Fohr, Carl Georg Hasenpflug, Carl Friedrich Lessing, Ernst Ferdinand Oehme und Moritz von Schwind sind weitere Hauptmaler der deutschen Burgen- und Ritterromantik mit Werken vertreten. Rückert war bereits einige Jahre zuvor Mitglied der „Tafelrunde“ in der fränkischen Bettenburg bei Hofheim geworden, wo sich die gebildete Welt gerne zu Lesungen und zu Minnesang-Inszenierungen traf. Der Burgherr und Mäzen, Christian Reichsfreiherr Truchsess von Wetzhausen, kultivierte dort aus privatem Interesse, aber auch aufgrund des von Napoleon erzwungenen Untergangs der alten Reichsordnung ein Wiederaufleben der Ritterthematik.

    Dort trug Rückert um 1812 auch die gegen den neuen Kaiser gerichteten Geharnischten Sonette vor. Bei seinen Besuchen traf er selbst im Landschaftspark mit seinen neuartigen Gartenstaffagen auf die Ritterthematik. Auch diese Gartendenkmale waren nicht der historischen Wirklichkeit, sondern der Fantasie verpflichtet. Das betraf generell auch die Kostümierung der Figuren in den Bildwelten, denn das „Mittelalter“ wurde damals weit gefasst: Germanen, Nibelungen und Staufer fielen ebenso darunter wie z.B. die Kunst des Raffael-Kreises, welche heute dem Stil der Renaissance zugeordnet wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass damals die Kunstgeschichte als Wissenschaft noch in den Kinderschuhen steckte, also selbst bei Forschungsinteresse eine authentische Darstellung nicht möglich war. Erst dem historistischen Maler ab 1860 lagen ausreichend Quellenforschungen vor, die Romantiker hingegen nutzten stattdessen die Welt der Fantasie.

    Der Romaufenthalt 1817/18 eröffnete Rückert den eigentlichen Zugang zur aktuellen Malerei seiner Zeit – eine Kunst, die er sogleich begeistert lyrisch analysierte und in deren patriotisch-religiösen Idealen sich der junge Dichter wiederfand. Er verkehrte in den Kreisen der deutschsprachigen Künstler, insbesondere der Lukasbrüder, einer 1809 gegründeten Künstlergruppe, die als „Nazarener“ verspottet, Herz, Seele und Empfindung, Religion und Nationalität zu den Grundpfeilern ihrer Kunst erklärten. Ihre Vorbilder waren Raffael und Dürer, ihre Zukunftsvision gründete auf der Vergangenheit – auf einem idealisierten Mittelalter, einer Zeit verbindlicher Werte, christlicher und nationaler Stärke.

    Schon kurz nach seiner Ankunft in Rom feierte Rückert im Kreis der Nazarener den Tag des heiligen Lukas und schrieb hierzu „Künstlerlied. Zum 18. Oktober in Rom“. In kämpferisch patriotischer Weise nimmt es das Jubiläum der Völkerschlacht von Leipzig zum Anlass, um die von den deutschen Künstlern in Rom gelebte neue Einheit und Stärke Deutschlands zu beschwören.

    Als dann der bayerische Kronprinz Ludwig 1818 Rom besuchte und ihm die deutschen Künstler am 29. April ein Abschiedsfest in der Villa Schultheis ausrichteten, trug Rückert ein eigens hierfür verfasstes sechsteiliges Gedicht vor, in dem sich der Einfluss der Kunst der Nazarener auf seine Vorstellung der Malerei zeigt. Er feierte dabei die Poesie als Mutter aller Künste und definierte Menschendarstellung und Bibel als höchste Inhalte der Kunst. Rückert bewunderte hier vor allem auch die Farbenpracht der Bilder, eine Einschätzung, die der jüngeren Forschungsmeinung, das Kolorit stehe in diesen Gemälden nach der Umrisszeichnung eher an zweiter Stelle, überraschend zuwider läuft.

    Von der Malergruppe der Nazarener – Johann Friedrich Overbeck, Peter Cornelius, Ferdinand Olivier, Franz Pforr, F. Wilhelm von Schadow, Josef Sutter, Ludwig Vogel und anderen – besitzt das Museum Georg Schäfer ebenfalls eine hochkarätige Sammlung, und so können deren Meisterwerke den Gedichten Rückerts beigesellt werden.

    Die Ausstellung vereint die Verse Friedrich Rückerts mit Gemälden und Zeichnungen. Aufgrund der Zeitgleichheit der Mehrzahl der Objekte richtet sie einen Blick auf die gegenseitige Beeinflussung, ein Blick, wie er bisher noch nicht gewonnen werden konnte. Dabei soll es auch gelingen, die Italien-Stimmungen und Erlebnisse Rückerts sinnlich nachvollziehbar zu machen. Der Betrachter kann dabei die Erkenntnis gewinnen, dass Poesie und Malerei der Romantik zwar in einem ambivalenten Verhältnis zueinander stehen und dennoch beim Betrachter/Leser einen symphonischen Gleichklang auslösen können.

    Ritter und Nazarener – Friedrich Rückert und die Mittelalterfantasien, 7. April bis 31. Juli. Die Ausstellung zeigt rund 50 Gemälde und 50 Zeichnungen. Das Begleitprogramm umfasst ein Kindermuseum im Foyer Kindermuseum zum Thema „Ritter“ sowie Konzerte und Vorträge. Zur Ausstellung erscheint ein Buch mit Versen von Friedrich Rückert und Bildern aus dem Museum, dazu zwei thematische Beiträge von Karin Rhein und Wolf Eiermann.

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