Das Ukulele Orchestra of Great Britain, kurz UOGB, oder die Ukes, wie die Fans das achtköpfige Ensemble nennen, beginnt seine Konzerte gerne mit „Running wild“ aus dem Billy-Wilder-Film „Manche mögen's heiß“, in dem Marilyn Monroe die Ukulele spielt. Im Film ist das Instrument nicht unbedingt die Hauptattraktion, bei den Ukes sehr wohl. Dank pfiffiger Arrangements, großer Musikalität, schöner Singstimmen und ausgeprägter Entertainerqualitäten kennt das UOGB so gut wie keine künstlerischen Grenzen. Rockklassiker, 60er-Jahre-Schnulzen, Blues, Klassik und Chart-Hits leisten keinen nennenswerten Widerstand – die Ukes machen daraus fetzige Nummern mit Bluegrass-Touch und balancieren dabei mit unfehlbarer Sicherheit auf dem schmalen Grat zwischen Parodie und Würdigung. Damit spielen sie seit über 25 Jahren vor ausverkauften Hallen in der ganzen Welt – in der Carnegie Hall, der Kölner Philharmonie, der Oper in Sydney oder der Royal Albert Hall. Und heute, Donnerstag, und morgen, Freitag, im Theater Schweinfurt, das freilich auch längst ausverkauft ist. Zum Interview trafen wir die Mitglieder George Hinchliffe, Will Grove-White und Dave Suich.
Frage: Peter Suich, Sie haben einmal gesagt, dass die Hauptemotion ihrer Zuhörer Erleichterung ist.
Dave Suich: Das stimmt.
Warum fahren so viele Leute so weit, nur um erleichtert zu sein, dass Ihre Konzerte nicht schrecklich sind?
George Hinchliffe: Menschen mögen Erleichterung.
Suich: Ich denke, mittlerweile ist es so, dass die Leute, die vor fünf, zehn Jahren erleichtert waren, jetzt ihre Freunde mitbringen. Um zu schauen, wie die dann reagieren. Irgendwie denkt jeder, wir sind ihr eigener Geheimtipp.
Will Grove-White: Die Erleichterung findet statt, wenn du Leute ins Konzert schleppst, die denken, um Gotteswillen, ein ganzer Abend Ukulele. Und nach ein paar Songs denken sie, wow, das wird ja klasse.
Sie sind also alle Fans von Marilyn Monroe oder des Films. Oder warum die Ukulele?
Suich: Es ist ein guter Film. Hinchliffe: Das sind ja drei Fragen. Suich: Also ja, ja und nein. Hinchliffe: Marilyn Monroe hat ein sehr interessantes Buch geschrieben: „My Story“. Darin beschreibt sie, wie sie mit einem Freund die Straße entlanggeht, und niemand erkennt sie. Der Freund fragt, wie das kommt, da antwortet sie: Ich bin gerade nicht sie. Und dann legt sie innerlich einen Schalter um, und sofort erkennt sie jeder. Das ist sehr interessant.
Im Film haben die Leute aber nicht unbedingt auf die Ukulele geachtet.
Hinchliffe: Als Sugar sagt sie im Film, ich bekomme immer das Ende des Lutschers mit den Krümeln dran – die Ukulele eben.
Warum haben Sie also das krümelige Ende gewählt?
Hinchliffe: Es war ein vernachlässigtes Instrument, das keiner respektierte. Der Underdog.
Grove-White: Und es gibt kein Repertoire. Anders als bei der E-Gitarre. . . Hinchliffe: . . .wo sofort jeder kommt und sagt, du bist nicht so gut wie Jimi Hendrix. Suich: Jetzt kommen sie und sagen, du bist nicht so gut wie Marilyn. Hinchliffe: Außerdem kann man eine Welttournee mit Handgepäck machen. Eine E-Gitarre wird immer schwerer, je älter man wird.
Es ist ziemlich klar, warum Sie heute so viel Erfolg haben. Aber haben Sie am Anfang damit gerechnet?
Suich: Ja.
Okay, nächste Frage.
Suich: Im Ernst, wir hatten damals alle schon in allen möglichen Projekten Musik gemacht. Aber beim Ukulele-Orchestra war sofort klar, dass jeder es mochte. Grove-White: Es war nicht klar, dass wir mal in der Carnegie Hall oder in Oper in Sydney spielen würden. Aber ich erinnere mich, dass wir das schon für möglich gehalten haben. Suich: Als wir anfingen, gab es keine reinen Ukulele-Ensembles. Heute hat jede Stadt eine Ukulele-Society oder Ukulele-Clubs.
Sie, George Hinchliffe, haben mal gesagt, dass die Ukulele ein sehr guter Bullshit-Detektor ist.
Hinchliffe: Das war ein Zitat, ich selbst hätte so ein schlimmes Wort nicht benutzt. Aber da es der Daily Telegraph, ein sehr ehrenwertes Blatt, benutzt hat, dachten wir, es ist in Ordnung. Grove-White: Jetzt schweifst du aber ab. Hinchliffe: Ich war ja noch nichtfertig. Also: Wenn man mit der Ukulele einen Song spielt, ist sofort klar, ob er was taugt, weil du absolut nichts beschönigen kannst. Deshalb müssen wir wirklich streng bei unserer Auswahl an Stücken sein.
Wie sieht der typische Ukulele-Fan aus?
Suich: Da wir kein typisches Repertoire spielen, gibt es auch keinen typischen Fan. Es kommt die Großmutter mit der Tochter und deren Tochter. Die Älteren lieben den Jazz, die Jüngeren die Hits. Hinchliffe: Es sind Freidenker, würde ich sagen. Suich: Ja, das auch. In der Provinz sind es mittelalterliche Paare, aber in der Kulturbrauerei in Berlin sind es nur junge Leute mit Dreadlocks. Da sind wir sehr stolz drauf. Hinchliffe: Die Leute, die selbst spielen, schätzen es, dass das Instrument nichts Elitäres hat. Sonst heißt es immer, das hätte Beethoven aber nicht gefallen. Mit der Ukulele kann man einfach Spaß haben.
Suich: Was die Leute auch an uns mögen, ist, dass wir unabhängig sind. Wir gehören keiner großen Plattenfirma, sondern managen uns selbst.
Sie stehen also auch für eine gewisse Unangepasstheit?
Hinchliffe: Ganz bestimmt. Am Anfang unserer Karriere haben wir einmal einen der ganz großen Plattenbosse angeschrieben. Der hat nur gelacht und gesagt, Ukulele? Das ist doch lächerlich. 20 Jahre später, als er pensioniert wurde, ist er als Erstes in einen unserer Ukulele-Workshops gekommen. Es sagte, beruflich konnte ich euch nicht verpflichten, aber privat finde ich euch fantastisch. Heute brauchen wir die großen Labels nicht mehr.
Das ist ja wie mit dem Lektor, der die Harry-Potter-Bücher abgelehnt hat.
Hinchliffe: Genau. Manchmal spielen wir auf Privatpartys. Und einmal haben wir bei den Leuten gespielt, die Harry Potter rausgebracht haben. Die schwammen im Geld und waren so glücklich, weil sie jetzt eben auch die Bücher verlegen können, die sie lieben, aber die gar nichts einbringen. Und weil sie sich für ihre Party so ein teures Ensemble wie das Ukulele Orchestra leisten können.