Friedrichhafen (dpa/ein) Wie eine ganze Reihe anderer Unternehmen in Friedrichshafen am Bodensee hat der Autozulieferer ZF seine Existenz dem genialen Erfinder Ferdinand Graf von Zeppelin zu verdanken. Graf von Zeppelin, der am Abend des 2. Juli 1900 erstmals ein lenkbares Luftschiff am Bodensee aufsteigen ließ, gründete 1915 eine Zahnradfabrik. Zahnräder und Getriebe waren notwendig, um für optimale Kraftübertragung zwischen Motoren und Propellern der Zeppeline zu sorgen.
Was einst mit der Fertigung in einem kleinen Holzbau begann, die der Volksmund "Zackenbude" nannte, ist heute ein Weltkonzern mit fast 55 000 Mitarbeitern in 26 Ländern und knapp zehn Milliarden Euro Umsatz. An Sonntag feierte der drittgrößte deutsche Automobilzulieferer, weltweit nach der Rangliste des US-Fachmagazins "Automotive News" auf Platz zwölf, sein 90-jähriges Bestehen mit einem Mitarbeitertag und einer Ausstellung. 20 Jahre älter ist ZF Sachs, das Schweinfurter Traditionsunternehmen, das mit seinen 18 000 Beschäftigten seit 2001 zur Gruppe gehört. Bei Sachs wird um den 110. Geburtstag jedoch kein Aufhebens gemacht.
An der Erfolgsgeschichte war ein Schweizer maßgeblich beteiligt. Karl Alfred Graf Soden von Fraunhofen, Leiter der Versuchsabteilung des Luftschiffbaus in Friedrichshafen, hatte 1914 von einem Züricher Ingenieur namens Max Maag und dessen neuem Präzisionsverfahren für die Herstellung von Zahnrädern gehört. Man kam ins Geschäft. Am 20. August 1915 wurde gemeinsam mit dem Generaldirektor der Luftschiffbau Zeppelin GmbH, Alfred Colsman, das neue Unternehmen aus der Taufe gehoben.
Das Produktionsprogramm erstreckte sich bald auch auf Getriebe für Flugzeuge, Automobile und Motorboote. Die aufblühende Kraftfahrzeug-Industrie wurde schnell zum wichtigen Abnehmer. 1917 hatte ZF 200 Mitarbeiter. 1918 konnte ein Fabrikneubau eingeweiht werden. 1925 setzte das Unternehmen mit 580 Mitarbeitern schon drei Millionen Reichsmark um.
Im Zweiten Weltkrieg wurde ZF, wie viele andere Betriebe, in die Rüstung eingespannt und musste Getriebe für Ketten- und Radfahrzeuge herstellen, wie Volker Geiling und Manfred Sauter in ihrem Buch "Zeppelins Erben" berichten. 1944 schien das Aus gekommen. In der Nacht des 28. April wurde das Stammwerk bei einem alliierten Luftangriff zu 80 Prozent zerstört.
Die "ZFler" ließen sich jedoch nicht unterkriegen. Arbeiter wie Büroangestellte packten mit an und räumten die Trümmer beiseite. Bereits 1949 standen wieder 2000 Menschen bei ZF in Lohn und Brot. In den 50er Jahren profitierte der Betrieb vom Wirtschaftswunder. Mit der Gründung von ZF do Brasil gelang 1959 der erste Sprung nach Übersee.
Die Expansion setzte sich fort. Wichtige Etappen waren 1984 der Einstieg in die Lemförder Gruppe und damit in die Fahrwerktechnik sowie die Übernahme von Mannesmann Sachs 2001. Bei der Integration der neuen Unternehmensteile bewies ZF großes Fingerspitzengefühlt, was sich in wirtschaftlichem Erfolg auszahlte.
Der größte unter "Zeppelins Erben" - andere sind der Dieselmotorenhersteller MTU, der Flugzeugbauer Dornier oder der Silobauer und Baumaschinenhändler Zeppelin GmbH - ist heute auf Getriebe und Lenkungen sowie Fahrwerkkomponenten und komplette Achssysteme spezialisiert. Die von der Stadt Friedrichshafen verwaltete Zeppelin-Stiftung hält knapp 94 Prozent des Unternehmens. Sechs Prozent liegen in den Händen der Dr.-Jürgen-Ulderup-Stiftung.
Gegenwärtig bläst ZF der raue Wind des globalen Wettbewerbs ins Gesicht. Die einstige "Zackenbude" sieht besonders in ihrer Unabhängigkeit und immer neuen Erfindungen eine Garantie dafür, auch in Zukunft bestehen zu können. ZF-Chef Siegfried Goll ist zuversichtlich: "Als Technologieführer verfolgt ZF auch 2005 die Strategie des Wachstums durch Innovation und durch globale Marktpräsenz." Ungeachtet enorm gestiegener Rohstoff- und Energiepreise und des wachsenden Preisdrucks seitens der Autobauer sind die Aussichten nicht schlecht.