Ein Stadtteil wie Deutschhof oder Eselshöhe ist Klingenbrunn eigentlich nicht. Deshalb ist auch eine Grenzziehung schwer, deshalb auch ist jede Nennung einer Einwohnerzahl Spekulation. Der amtierende „Bürgermeister“ ist da mitunter großzügig. Den Reporter beispielsweise, wohnhaft nahe dem früheren Teilberg, sieht er als Klingenbrunner an. Im Norden ist Grenze wohl der Klößberg, im Westen die Deutschhöfer Straße, alles „halt so um den Gottesberg herum“, sagt ein alter Klingenbrunner. Er hätte auch ums Klingenbrünnle sagen können.
Anfang des letzten Jahrhunderts gab es zwei Gemeinden Klingenbrunn
Elf Stammtischbrüder der Gaststätte „Freischütz“ haben 1909 die „Gemeinde Klingenbrunn“ gegründet. Ihr erster „Bürgermeister“ ohne Rathaus war Ludwig Berberich. Jeden Montag trafen sich die „Klingenbrunner“, laut Chronik ist es "immer fidel zugegangen“. Die Zusammenkünfte waren der Anfang der heute noch zelebrierten Kirchweih, die zunächst im Wäldchen auf dem Brauhausberg stattfand, der „Alm“.
Wegen der Raumnot im Gründerlokal „Freischütz“ (Parkplatz der heutigen Gärtnerei Heim) gründete sich in der 1911 eröffneten Gaststätte „Tannenbaum“ in den 1920ern eine zweite „Gemeinde Klingenbrunn“. Die Nazis zwangen beide Vereine zum Zusammengehen. Die Gaststätte „Freischütz“ wurde 1944 zerstört. Im Tannenbaum ging es weiter. Am 27. Februar 1955 wählten dort 65 Klingenbrunner Franz Köferl zum ersten Stadtteil-Bürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg.
Brauhaus und Bürgerverein bildeten bis zur Pleite der Brauerei immer eine Einheit
Die „angenehme Zusammenarbeit“ mit dem Brauhaus wurde damals schon protokolliert. Das erste Kirchweihfest mit Umzug fand 1957 noch auf dem alten Gelände der TG 1848 an der Deutschhöfer Straße statt, danach an der Wasserleitung, ehe man aufs Brauhausgelände wechselte.
Karl Gessner war 25 Jahre lang „Bürgermeister“ (bis 1981), es folgte bis 1996 Bernhard Rauch und seitdem hat Werner Pfister das Sagen im Stadtteil. Lange Jahre eine Idealbesetzung, weil Pfister beim Brauhaus als so eine Art Mädchen für alles beschäftigt war und auf dem Gelände, wohnte. Deshalb schmerzte ihn das Brauhaus-Ende 2015 nicht nur wegen des Klingenbrunn-Vereins.
Die Geschichte des Brauhauses begann 1858. Brauer Heinrich Schönmann errichtete am Marktplatz eine Braustätte. Wegen der sprunghaften Nachfrage nach Gerstensaft war es dort bald zu eng. Die Wahl für den neuen Standort fiel auf ein freies Grundstück am Klingenbrunn, wo es seit den 1870ern Gär- und Lagerkeller gab. 1912 war der Neubau fertig. Die „100 Jahre am Klingenbrunn“ feierte das Brauhaus 2012 noch großartig. Jetzt steht das annähernd 20 000 Quadratmeter große Gelände leer, harrt einer Nachnutzung.
Auch ein so gewachsenes Gebiet unterliegt Veränderungen
Gegenüber auf dem Ex-Garagenhof hat die Vermögens- und Grundstücksverwaltung der Flessabank drei Wohnblocks mit über 30 Wohnungen geschaffen. Apropos Wohnen: Es ist im Klingenbrunn viel neuer Wohnraum geschaffen worden. Zur Zeit wird vor allem im Bereich Gottesberg viel saniert und neu gebaut.
Wandel auch an anderen Stellen. Der Tannenbaum ist italienisch geworden und nicht mehr Stammlokal der Klingenbrunner, die ihre Kirchweih aber weiter im Stadtteil feiern, jetzt beim Sportclub von 1900. Der städtische Kunstrasenplatz hat kürzlich einmal mehr Probleme gemacht. Über einen Wegzug des SC wurde immer Mal gesprochen. Im Moment ist das aber kein Thema, es rollt auch wieder das runde Leder. Sport wird auch nebenan getrieben, auf dem Schulgelände von Schiller-, Kardinal-Döpfner - und Franziskusschule.
An der Ecke Schützenstraße/Marienbach sind ebenso Veränderungen geplant, die letzten Wochen der Märkte Nahkauf und Grimms Getränke sind angesagt. Aufhören ist auch das Stichwort für ein Schweinfurter Original aus dem Stadtteil, das natürlich bei den Klingenbrunner immer noch aktiv ist. Inge Meis betrieb über 60 Jahre lang eine Heißmangel mitten im Klingenbrunn. Kürzlich entschied sich die mittlerweile über 80-Jährige doch dazu, nicht mehr alles „platt zu machen“.
Eine Explosion sorgte für Gesprächsstoff
Stadtgespräch war der Stadtteil am am 16. Februar 2013. Eine explodierende Gasflasche hatte fast eine komplette Doppelhaushälfte in der Jägerstraße wie eine Sardinenbüchse geöffnet. Ursache: Der damals verletzte Bewohner hatte, weil ihm der Strom abgestellt worden war, unsachgemäß mit Gasflaschen geheizt. Erinnert sei auch an die vielen Rotlichtadressen in all den Jahren.
Der Namensgeber Klingenbrünnle sprudelt seit 1577
Dann natürlich das Klingenbrünnle, 1577 erstmals erwähnt. Im Mai 1857 hieß es beispielsweise in einem Artikel, dass die „Saison am Klingenbrunnen bei jetzt eintretendem günstigen Wetter am nächsten Sonntag Morgens um 5 Uhr mit einer gutbesetzten Musik eröffnet“ wird. Die angeblich heilende Wirkung des kühlen Klingenbrunn- Nasses führte 1880 zum ersten Schweinfurter Wasserfest.
Das Klingenbrünnle wird aus einer gefasste Quelle gespeist, die ihren Zufluss von der höher gelegenen Klingenhöhe hat. Der Klingenbrunnen spendet 16 Liter in der Minute, 8,4 Millionen Liter sind das in einem Jahr, hat „Bürgermeister“ Werner Pfister einmal ausgerechnet. Das Wasser fließt in den Marienbach. Sein Verein begann vor 22 Jahren damit, das Klingenbrünnle zur Osterzeit mit immer 1200 Eiern zu schmücken, das dem Stadtteil, der eigentlich keiner ist, den Namen gibt.