Man nennt ihn den Shakespeare Deutschlands. Er war Macho und genialer Spinner, Überflieger der klassischen Literatur und Folterknecht für ganze Schülergenerationen: Friedrich von Schiller (1759-1805) hat sein Gedenkjahr zum 250. Geburtstag gerade hinter sich und dem Vollblut-Rezitator Hans Driesel damit die Steilvorlage geliefert für eine süffisante Nachlese - als krönenden Abschluss des 7. Wernecker Kulturfrühlings.
Unterhaltsam und notwendigerweise ein bisschen despektierlich wurden dabei Fehlbarkeiten in Schillers Werk und Wesen seziert. Damit befanden sich die rund 120 Zuhörer im voll besetzten Schloss-Casino aber in bester Gesellschaft von namhaften Kritikern und Dichtern wie Schlegel, Bürger, Brecht und Enzensberger. Der Pikierte selbst respektive seine kreideweiße Gipsbüste auf der Bühne verharrte - ungerührt und mit pfeildurchbohrtem Apfel gekrönt - in der Pose des zitierten Abendmottos: „Schieß mir den Apfel von der Birne“ (aus Heinz Erhardts köstlicher „Wilhelm Tell“-Persiflage).
Wohl hielt er es bei Driesels Versuchen, an seinem Podest zu wackeln, wie im „Wallenstein“-Prolog: „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“. Und allen künstlerischen Ansprüchen wurden Driesel und sein Haus-und-Hof-Pianist David Reß mit ihrer originellen literarisch-musikalischen Schlachtplatte höchst gerecht. Driesel zitierte inbrünstig Vers um Vers und spießte sogleich unverhohlen inhaltliche „Kata-Strophen“ in Schillers Dichtung auf: In der „Ode an die Freude“ gibt es Wein, dessen Schaum zum Himmel spritzt und dessen Genuss Kannibalen besänftigt, in „Hero und Leander“ eine unzweckmäßig geräuschvolle Jagd, im „Taucher“ ein zoogeografisch widerlegbares Wassertiersortiment und in den „Kranichen des Ibykus“ angeblich krächzende Vögel, denen wiederum ornithologisch keine solche Lautbildung zugeschrieben wird.
Letzteres kritisierte gar Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in seinem intensiven Briefwechsel mit Schiller, der gerade während der Balladen-Phase der beiden viel Inspiration und Spannung birgt, so Driesel. Die Fortsetzung dieser Inspiration findet sich schließlich in der Musik. Die virtuosen Hände von David Reß garnierten dementsprechend stimmig und bereichernd auch den Wernecker Schiller-Abend: mit Teilen aus Rossinis Oper „Wilhelm Tell“ und insbesondere zwei Vertonungen von Schiller-Werken („Handschuh“ und „Glocke“).
Stilblütengleich verzahnte Driesel Anekdoten und Satire mit Zeitdokumenten, neutralisierte bedeutungsschwere Verse mit delikaten Charakterstudien: „An ihm ist ein Kabarettist verloren gegangen“, beweist ein selbstironischer, unpathetischer Beschwerdebrief des Dichters über die Geräuschkulisse der Waschweiber nahe seiner Arbeitsstube - unterschrieben mit „Haus- und Wirtschaftsdichter Schiller“. Von Reß unterstrichen mit einem Tusch.
Solch ein zweistündiges Komik-Tragik-Lyrik-Menü milderte dem Zuhörer manch qualvolle Erinnerung an schulischen Deutschunterricht. Es machte - wie Driesel nicht zu Unrecht hoffte - „Lust auf mehr“. Seine Leidenschaft, den Dramen-König Schiller aus nicht ganz ernster Warte neu zu beleuchten, vergnügte und steckte an. Ganz im Duktus des vielzitierten Heinz Erhardt, der das Königskinder-Drama um Hero und Leander heute wohl so verschlaumeiert hätte: „Hätt' er 'ne SMS geschickt, wär ihm das Vorhaben geglückt!“
Wernecker Kulturfrühling
Rund 2300 Besucher zählten die 18 Veranstaltungen des 7. Wernecker Kulturfrühlings, so die Erfolgsbilanz von Gemeinde und Veranstaltern. Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl lobte die Vielfalt der Angebote, den Gemeinschaftsgeist aller Beteiligten und lud abschließend zum Dämmerschoppen. Kulturinitiativen-Chef Rainer Ziegler erinnerte an die ergänzenden Termine: Passionssingen am 28. März, Theater-Maßbach-Komödie am 28. Mai, Liederkranz-Konzert am 12. Juni und das „Kulturfrühling Spezial“-Open-Air im Schlosspark am 18. Juli.