Einige Jahre hat der 44-Jährige bereits in Gefängnissen verbracht, etliche Gerichtsverhandlungen erlebt. Trotzdem ist die Situation vor der 1. Großen Strafkammer neu für ihn: Erstmals ist er wegen eines schweren Sexualdeliktes angeklagt. Im Februar 2007 hat der Mann aus dem Landkreis Schweinfurt eine 19-jährige Frau vergewaltigt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Das Urteil: viereinhalb Jahre Gefängnis.
Seit 20 Jahren ist der Mann drogensüchtig. Er hat weder Schul- noch Berufsabschluss und hält sich mit wechselnden Jobs über Wasser. Um seinen Drogenkonsum (vorzugsweise Amphetamine) zu finanzieren, reicht das Geld nicht. Immer wieder gerät er mit dem Gesetz wegen Diebstählen, Drogenbesitzes und -handels in Konflikt.
Auch die 19-Jährige, selbst abhängig, hat Schulden, 63 Euro. Der 44-Jährige streckt das Geld für sie bei einem Dritten vor und vereinbart in der Wohnung einer Bekannten ein Treffen. Dort wolle er sich mit ihr unterhalten, wie man „die Schulden abbauen“ könne. In der Wohnung, wo sich beide Amphetamin spritzen, sagt die junge Frau, dass sie nicht zahlen kann. Doch der Mann hat an etwas anderes gedacht. Auf dem Sofa bedrängt er die 19-Jährige.
Sie wehrt sich, er schlägt zu. Mit dem Oberschenkel fixiert er den Hals der zierlichen Frau. Es gelingt ihr, sich zu befreien, doch der Mann erwischt sie noch vor der Haustür und zerrt sie ins Bett. Der Versuch, die 19-Jährige an die Bettpfosten zu binden, misslingt. Unter Androhung weiterer Gewalt zwingt er sie zu ungeschütztem Oralverkehr – somit liegt der Tatbestand der Vergewaltigung vor. Zudem weiß er, dass er mit Hepatitis B infiziert ist, wenn auch einer nicht ansteckenden Variante.
„Warum haben Sie eine junge Frau, die vom Leben ebenso wenig begünstigt ist wie Sie, so grässlich plagen müssen“, fragt der Richter. „Ich begreife es selbst nicht“, so der Angeklagte. „Ich würde meinen Arm geben, wenn ich es rückgängig machen könnte.“ Weil er ein umfassendes Geständnis ablegt, erspart er dem Opfer die Aussage vor Gericht und ein mögliches psychiatrisches Gutachten.
Das Gericht folgt schließlich den Anträgen von Staatsanwalt und Verteidigung, die sich vorab im Falle eines Geständnisses auf eine Strafe von viereinhalb Jahren verständigt haben. Darin enthalten ist eine zweijährige Therapie. Das Gericht sieht darin eine gute Chance für den Angeklagten, seinem Leben eine Wende zu geben. Er sei noch nie so therapiewillig gewesen wie nach dieser schweren Tat. Das Urteil ist rechtskräftig.