Wie schon in den vergangenen Jahren beteiligte sich die Stadtbücherei an dem von der ZEIT und der Stiftung Lesen zum fünften Mal initiierten Vorlesetag. Prominente und Bücherfreunde lesen aus ihren Lieblingsbüchern vor und haben dabei mindestens genau so viel Spaß wie die Kinder, denen sie vorlesen.
Für die Aktion konnte Bibliotheksleiterin Brigitte Vogt dieses Mal Pfarrerin Anja Saltenberger-Barraud, Hannelore Hippeli, Eva Maria Ott, Thorsten Wozniak, Ilona Nowak und Renate Förster gewinnen. Im Stundentakt pilgerten am Vormittag die Gerolzhöfer Grundschulkinder der ersten Klassen und am Nachmittag die Vorschulkinder in die Bücherei. Gemütlich auf Kissen und Polstern sitzend lauschten sie mit sichtlichem Vergnügen den Geschichten und zeigten ganz deutlich, dass Vorlesen keineswegs altmodisch und überholt ist, sondern sich ungebrochener Attraktivität erfreut.
Besonders deutlich wird das vor dem Hintergrund einer brandneuen Studie der Deutschen Bahn, der ZEIT und der Stiftung Lesen zum Vorlesealltag von Kindern in Deutschland im Alter von vier bis elf Jahren. Die Studie lässt erstmals die Kinder selbst zu Wort kommen. Während laut einer Befragung der Eltern 2007 nur 18 Prozent angaben, niemals vorzulesen, sagten im Jahr 2008 37 Prozent aller Kinder, dass ihnen niemals vorgelesen wird. Offensichtlich unterscheidet sich die subjektive Empfindung der Eltern, sie seien „Vorlese-Eltern“, erheblich von der Sicht der Kinder. Dabei ist Vorlesen alles andere als ein netter Zeitvertreib, sondern ein zentraler Bildungsimpuls.
Vorgelesen zu bekommen fördert Kleinkinder und Kinder in nicht zu unterschätzendem Maß und hilft beim Erwerb grundlegender Fähigkeiten wie Konzentrationsvermögen oder Sprach- und Ausdrucksfähigkeit. Vorlesen, so verdeutlicht die Studie, vermittelt Lesemotivation, formt neuronale Strukturen für Lernkompetenz und stärkt die Sozialkompetenz der Kinder, schenkt ein Gefühl von Geborgenheit und Nähe und hilft, Rituale im Familienalltag zu schaffen.
Die Studie räumt auch gründlich mit einigen Vorurteilen zum Thema Vorlesen auf. So wird deutlich, dass Vorlesen oder auch Nicht-Vorlesen, weder vom Bildungsstand noch vom Einkommen der Eltern abhängig ist. Genauso wenig beeinflussen Berufstätigkeit der Mutter, Vorhandensein von Geschwistern, das Geschlecht des Kindes oder ein Migrationshintergrund das Vorleseverhalten der Eltern. Ein anderer, weitverbreiteter Irrtum, den die Befragung widerlegt, betrifft die Attraktivität des Vorlesens. Den meisten Eltern ist nicht bewusst, wie gerne ihre Kinder vorgelesen bekommen, nicht nur im Kindergartenalter. Ganz wichtig sind in diesem Zusammenhang die Väter. Nur acht Prozent von ihnen lesen regelmäßig dem Nachwuchs vor. Dabei ist, speziell für Jungen, ein vorlesender Vater extrem wichtig und kann viel zur Lesemotivation und -sozialisation beitragen.
„Vorlesen ist die Mutter des Lesens“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe, und es hat bis heute nichts von seiner außerordentlichen Bedeutung und Attraktivität verloren.