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SCHWEINFURT: Vortrag über den Völkermord in Ruanda

SCHWEINFURT

Vortrag über den Völkermord in Ruanda

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    Bericht über Ruandas Vergangenheit: Als bei einem Film über tanzende Frauen der Ton fehlt, springt Denise Uwimana-Reinhardt ein.
    Bericht über Ruandas Vergangenheit: Als bei einem Film über tanzende Frauen der Ton fehlt, springt Denise Uwimana-Reinhardt ein. Foto: Foto: Uwe Eichler

    „Viele haben dafür Geld bezahlt, erschossen zu werden“: Wolfgang Reinhardt, Theologe aus Kassel, berichtet bei den „Christen im Beruf“ vom Alptraum des Völkermords in Ruanda.

    Seine Frau Denise, eine Tutsi, ist Überlebende des Genozids von 1994, dem innerhalb von hundert Tagen bis zu einer Million Menschen zum Opfer fielen, vernichtet von fanatischen Hutu-Milizen: „In jedem Dorf, an jedem Ort, an jedem Tag von früh bis spät“, so der Missionar beim „Glaubenszeugnis“ im Brauhaus. Kein industrieller Massenmord, getötet wurde mit Macheten, Knüppeln, Hacken, Äxten, dennoch wurden die Opferzahlen systematisch „abgeerntet“ wie bei der Feldarbeit. Der größte Völkermord seit dem Zweiten Weltkrieg, und der schnellste, mit besonderer Grausamkeit, unter größter Beteiligung der Zivilbevölkerung, so Reinhardt: auch von Ärzten, Schwestern, Kirchen. In aller Öffentlichkeit, wie Reinhardt kritisiert. UN, Großmächte, die „Weltgemeinschaft“ sahen weg (beziehungsweise intrigierten mit), als sich „alle Teufel“ in Zentralafrika versammelten: Im hochgelegenen, klimatisch freundlichen „Land der tausend Hügel“, der „Schweiz Afrikas“, bekannt durch die Berggorillas. Kurze Zeit deutsche Kolonie, später belgisch. Als am 6. April 1994 das Flugzeug des moderaten Hutu-Präsidenten Habyarimana abgeschossen wurde, gaben seine Anhänger Tutsi-Rebellen die Schuld, offenbar war es ein „Inside Job“ von Hutu-Fanatikern. Todeslisten, Waffenlager, Enthemmung durch Hetzpropaganda taten ihr Übriges. UN-General Dallaire warnte vergeblich. „Wo war Gott?“ Diese Frage stellt sich dem gläubigen Protestanten Reinhardt.

    Trautes Heim als Mordstätte

    Tatsache ist, dass oft der Glaube den Opfern (und später auch reuigen Tätern) wieder Würde gegeben hat: Wie der Kirchengemeinde, die den Schlächtern beschied, „weder aus Tutsi noch Hutu“ zu bestehen, und gemeinsam in den Tod ging, als Menschen.

    In ihrem Buch beschreibt Denise Uwimana-Reinhardt das Gefühl der Unwirklichkeit, wenn das vertraute Heim zur Mordstätte wird. „Inyenzi“, „Kakerlaken“, nennen die Hutus ihre oft hochgewachsenen, feingliedrigen Opfer. Die Täter sind Nachbarn, Kollegen, Halbwüchsige, Hutus, die sich verweigern, ebenfalls Freiwild. Im Badezimmer wartet die Hochschwangere auf die Horden, Mitte April 1994. Hält inmitten des Grauens Zwiesprache mit Gott, der ihr das Überleben verspricht. Nebenan werden Cousinen und Schwager massakriert.

    Sie kann sich freikaufen, verkriecht sich unter dem Bett, im Blut. Als die Wehen einsetzen, flüchtet sie sich zu einer Nachbarin, einer Hutu, die sie unter Lebensgefahr versteckt. Ihr dritter Sohn kommt zur Welt, die Verfolger kehren zurück, werfen zwei Granaten ins Zimmer, die nicht explodieren. Die Mutter erlebt, wie die Tutsis sterben, „wie Fliegen getötet, von Hunden gefressen, in Flüsse geworfen.“ Charles, ihr Mann, kehrt ebenfalls nicht wieder. Als sich das Inferno beruhigt, trifft sie auf der Straße die Mörder ihrer Verwandten, Plünderer, die ihre Kleider tragen, sieht den eigenen Kühlschrank im Geschäft: Nur das Tagebuch ist geblieben. Ein großes Familienfoto zeigt die ausgelöschten Leben. Aus ihrem Glauben heraus, findet sie, findet das Land Kraft zur Versöhnung und Vergebung. Unter dem siegreichen Rebellenchef und autoritären Tutsi-Präsidenten Kagame kam es zwar zu Racheakten und Repressalien. Aber auch zu einer Aufarbeitung der Massenvernichtung, sowohl vor einem Internationalen Völkermordtribunal als auch einfachen Dorfgerichten, den „Gacacas“: benannt nach dem Gras, auf dem getagt wird.

    Denise hat der UNO ebenfalls verziehen, auch wenn Gott ihr geholfen habe, die „Internationale Gemeinschaft“ nicht, wie sie ihr in New York ins Stammbuch geschrieben hat. Das Missionswerk „Frohe Botschaft“ kümmert sich heute um traumatisierte Frauen, eine halbe Million wurden vergewaltigt, teils mit HIV infiziert, andere mussten ihre Kinder ausliefern oder töten. „Iriba Shalom“, „Quelle des Friedens“, nennt sich ein weiteres Projekt. Spenden sind unter diesem Stichwort möglich beim Missionswerk „Frohe Botschaft“, Konto 00094, bei der EKK-Bank Kassel, BLZ 520 604 10.

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