„Vorsicht Steinschlag“ heißt es warnend an der Absperrung des Wegteils westlich vom Gasthaus „Zur Stollburg“. Wer sich trotzdem weiterwagt, sieht bald, dass diese Warnung nicht umsonst ist. Große Erd- und Gesteinsbrocken liegen am Weg verstreut. 30 oder 40 Höhenmeter weiter oben hat sich ein Spezialbagger wie eine Zecke im Fleisch am Berghang festgesaugt.
Norbert Sobotta von einer Spezialfirma aus Lauda/Königshofen steuert das Ungetüm. Er hat den Auftrag, die jetzige Brachfläche 80 Zentimeter tief umzugraben und den Boden aufzulockern, so dass die Reben im Frühjahr gesetzt werden können. „Guter Boden hier“, sagt er, „nur ab und zu eine kleine Gesteinsschicht dazwischen.“ Die Steine, die an der Erdoberfläche sichtbar sind, werden nach getaner Arbeit ausgelesen.
60 Prozent Steigung
Norbert Sobottas in Liechtenstein produzierter Schreitbagger bewegt sich im Prinzip über den Löffel, mit dem der Fahrer das schwere Gerät Stück für Stück den bis zu 60 Prozent steilen Hang hochschiebt. Die Vorderräder ragen in die Luft, zur Stabilisierung dienen die Hinterräder und die im Boden versenkten Stützen.
Die Steilheit des Stollbergs ist für den Baggerführer nichts Besonderes. In den Alpen, etwa beim Bau von Hochalmen, hat er schon in viel extremerem Gelände gearbeitet.
Drunten im urigen Gasthaus mitten in der Bergflanke ist inzwischen Weingutsdirektor Michael Jansen vom Staatlichen Hofkeller eingetroffen. Was bewegt die Würzburger, einen neuen Weinberg in so ausgesetzter Lage anzulegen, die keine Maschinen, sondern nur Handarbeit zulässt? Zum einen, sagt Jansen, ist es die Optik. Der bisherige Streifen Brachland direkt unter der Burgruine hat nicht so recht zu den übrigen Elementen Wald und Wein gepasst. Zum zweiten hat der Hofkeller dort oben Pflanzrechte, die er jetzt nutzen will.
Die Weinbaufläche des Würzburger Guts wird durch die zusätzlichen 0,8 Hektar nicht zunehmen, denn dafür wird es an anderer Stelle der insgesamt 120 Hektar Hofkeller-Weinbaufläche Umhieb geben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Weinberg auch mal stillgelegt wird. „Das ist wie bei der Fruchtfolge in der Landwirtschaft. Der Boden soll sich erholen“, begründet Jansen dieses Vorgehen.
Auch die jetzt noch brach liegende Fläche am Stollberg war schon einmal Wengert. Im nächsten Mai, wenn sich die Erde wieder etwas erwärmt haben wird, sollen Bacchus-Reben aus der vorbereiteten Fläche sprießen.
„Der Bacchus ist wieder im Kommen“, erklärt Hermann Kraiß, inzwischen pensionierter Betriebsleiter des Hofkellers am Stollberg. Sein Amt hat jetzt Friedrich Höfer, zuständig für die gesamte Betriebsgruppe Steigerwald, übernommen.
Auch touristische Gründe
Mit dem Bacchus stehen demnächst Silvaner, Müller-Thurgau und Kerner am Stollberg und damit die häufigsten Weißwein-Sorten in Franken. Die Komplettierung mit dem Bacchus hat für Michael Jansen auch touristische Gründe: „Wir wollen, dass wir alle wichtigen Rebsorten direkt vom Berg am Berg ausschenken können.“ Gleichzeitig soll die Neuanlage des Weinbergs ein Bekenntnis des Hofkellers zum Standort Handthal sein.
Hermann Kraiß hat sich umgehört und will herausgefunden haben, dass der neue Weinberg mit einer Höhe von 440 Metern die höchstgelegene Bacchus-Lage in Deutschland ist. Und Kraiß kann sich vorstellen, den Wein aus dem neuen Wengert mit Walther von der Vogelweide in Verbindung zu bringen, der ja wenige Meter von den Rebhängen entfernt auf der Stollburg geboren worden sein soll. An dieser Stelle hält sich Begeisterung des Hofgutsdirektors allerdings spürbar in Grenzen. Denn Jansen kommt aus Würzburg. Und die Würzburger möchten sich ihren Walther sicher nicht so schnell von den Handthalern ausspannen lassen...