Eine idyllische Pferdekoppel bei Neuhof am Fuß des Zabelsteins. Bis zum Freitag, 2. April, war die Welt dort oben noch in Ordnung. Die drei Hengste Fabulus, Malus und Pegasus in ihrer separaten Koppel, die Stute Lisa, die zweijährige Bella und Hengst Springday führten ein harmonisches Leben in freier Natur. Seit diesem Tag aber sind sie nur noch zu fünft. Und Bella und Springday befinden sich offensichtlich nicht mehr im Vollbesitz ihrer Kräfte.
"Am Tag vorher waren die Tiere noch topfit"
Walter Schmidt Pferdebesitzer
Pferdebesitzer Walter Schmidt und Margarethe Schmidt, seine zufällig namensgleiche Mitbewohnerin in der Alten Schule in Hundelshausen, waren an diesem Freitag zum Einkaufen in Haßfurt. Als sie wieder heimkamen, meldete sich die Polizei aus Gerolzhofen. Mit den Pferden sei wieder etwas passiert, aber nichts Schlimmes.
Doch als Walter Schmidt an seiner Koppel ankam, lag Lisa schon tot am Boden. Und Springday und Bella hatten ihre Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten, torkelten und waren völlig apathisch. Die drei Hengste in der Nachbarschaft reagierten dagegen normal. Vom Veterinäramt Schweinfurt kam Amtstierarzt Martin Friedrich und bat den Besitzer, dessen Tierarzt Dr. Mathias Roth aus Goßmannsdorf bei Hofheim solle sich doch die noch lebenden Vierbeiner einmal anschauen, berichtet Walter Schmidt.
Hinweise auf Gift
Dr. Roth, so ergab eine Anfrage dieser Zeitung, hat bei der Untersuchung der toten Lisa festgestellt, dass das Tier qualvoll zu Grunde gegangen sein muss. Kopf und Mund waren aufgerieben, die Zunge zerbissen. Auch die Untersuchung von Herzrhythmus und Darmgeräuschen bei Springday und Balla ergaben für den Tiermediziner klare Hinweise auf Gift. Konkreter: Die Tiere könnten an der Wirkung des Gifts eines Nadelbaums zu Schaden gekommen sein, das bei Pferden hochtoxisch wirkt. In den Nadeln und Samen dieses Baums befindet sich der Wirkstoff Taxin in hoher Konzentration. Schon geringe Mengen reichen, um ein erwachsenes Tier zu töten.
"Am Tag vorher waren die Tiere noch topfit; auch eine Nachbarin bestätigt das", berichtet Walter Schmidt.
Sektion angeordnet
Die Polizei hatte sofort das Veterinäramt eingeschaltet. Amtstierarzt Martin Friedrich ordnete beim Ortstermin eine Sektion an, auch Walter Schmidt wollte das. Die Kosten in Höhe von mehreren hundert Euro hätte in diesem Fall das Amt getragen. Für den Amtsvertreter waren allerdings weder eindeutige Vergiftungserscheinungen noch Anzeichen für eine Straftat oder ein Vergehen gegen den Tierschutz zu erkennen. Darunter wären zum Beispiel mangelnde Ernährung oder schlechte Pflege durch den Besitzer gefallen. Das erklärt Dr. Thomas Wiethe, Leiter des Veterinäramts Schweinfurt.
Bevor es jedenfalls zu einer Sektion kommen konnte, hatte eine Tierkörperbeseitigungsfirma den Kadaver abgeholt. Dr. Wiethe kann sich das nur so erklären, dass es dabei zu einem Verständigungsproblem zwischen der verständigten Firma und dem Fahrer sowie dem Besitzer gekommen sein muss. Walter Schmidt erklärt, er sei davon ausgegangen, der Fahrer wisse über die Sektion Bescheid und er habe deshalb angenommen, dass er den Kadaver nicht gleich zur Tierkörperbeseitigungsanstalt fahren würde.
Schmidt glaubt nach wie vor an eine Vergiftung, zumal mehrere Pferde zeitgleich an den gleichen Symptomen gelitten haben. Außerdem sei ihm etwas Ähnliches vor sieben Jahren schon einmal passiert, wo ebenfalls eine trächtige Stute das Opfer war. Dazu komme, dass in diesen Tagen im Polizeibericht immer wieder einmal von vergifteten Tieren, besonders Hunden, im Raum Michelau die Rede ist.
"Nicht geklärter Verendungsfall"
Weder Vertreter des Veterinäramts noch der Polizei hätten aber am 2. April etwas von Zweigen dieses Baums gesehen, sagt Dr. Thomas Wiethe. Die Agonie-Qualen, die das Tier bei seinem Tod erlitten hat, könnten sehr wohl auch bei organischen Leiden auftreten, wie etwa einer Dickdarmentzündung.
Solange nun keine Bestätigung für eine Vergiftung vorliegt, wird auch die Polizei in diesem Fall nicht ermitteln, informiert Erster Polizeihauptkommissar Winfried Werner, Leiter der Inspektion Gerolzhofen. Damit wird es für die Stute Lisa wohl für alle Zeit bei der amtlich vermerkten Todesursache bleiben: "Ein nicht erklärter Verendungsfall ohne Anzeichen einer Straftat oder eines Tierschutzvergehens."