Waldemar Wiederer, passionierter Hobbyfotograf aus Rügshofen, war wieder einmal mit seiner Kamera unterwegs. Auf der Anhöhe zwischen Rügshofen und Dingolshausen fiel ihm ein Getreidefeld ins Auge: Die dort wachsende Wintergerste hat rötlich gefärbte Körner angesetzt.
"Ich stamme aus einem landwirtschaftlichen Betrieb und musste in meinen jungen Jahren im elterlichen Hof immer mithelfen", schreibt der aus Lindach gebürtige Waldemar Wiederer, Sohn der früheren Landtagsabgeordneten, Senatorin und Bezirksbäuerin Maria Wiederer, in einer Mail an die Redaktion der Main-Post. "Da ist mir aber nie aufgefallen, dass es eine Gerstensorte mit roten Körnern gibt."
Klaus Hoffmann vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt weiß auf Anfrage dieser Redaktion natürlich sofort, warum die heranwachsenden Körner der Wintergerste rötlich schimmern: "Es handelt sich um eine relativ neue Gerstensorte mit Anthocyane", sagt er am Telefon. Ungewöhnlich sei dies aber nicht mehr. Anthocyane sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe, die im Zellsaft nahezu aller höheren Pflanzen vorkommen und Blüten und Früchten eine intensive rote, violette oder blaue Färbung verleihen. Jetzt, wenn die Getreidepflanze noch saftig grün ist, fallen die rötlich gefärbten Körner natürlich noch mehr auf als später, wenn die Gerste reif ist und die Pflanzen sich in Stroh verwandeln. Und weil die Gerste keine Spelzen rund um die Körner ausbildet, sind die Körner auch besonders gut zu erkennen.
Hohes Anpassungspotenzial
Die Gerste gehört zusammen mit Einkorn, Emmer, Lein und Linse zum ältesten Kulturgetreide, seit der Mensch vor rund 10 000 Jahren begann, Pflanzen gezielt zu seiner Nahrungsmittelgewinnung anzubauen und zu züchten. Von der Gerste gibt es rund 30 verschiedene Wildarten. Es ist das Getreide mit der weltweit weitesten geografischen Verbreitung in den unterschiedlichsten Klimazonen. Die Gerste verfügt somit über ein hohes genetisches Anpassungspotenzial, das heutzutage für die Züchtung von widerstandsfähigen Sorten genutzt wird.
Wilde Gerstensorten, die an sehr trockenen und sonnigen Standorten wachsen, haben besondere Schutzmechanismen zum Überleben entwickelt. Sie lagern verstärkt Anthocyane in die Stängel, Blätter oder Ähren ein. Der Farbstoff verleiht der Pflanze oder den Körnern eine Rotfärbung und schützt sie wie eine Art Sonnencreme vor zu hoher Sonneneinstrahlung und Verdunstung. Diese "Erfindung" der Natur machen sich Getreidezüchter zunutze und entwickeln neue Gerste-Sorten, die angesichts des Klimawandels besser mit Trockenheit und Wärme zurechtkommen sollen.
Auch bei anderen Getreidearten gibt es übrigens diese rötliche Färbung in den Randschichten des Korns, zum Beispiel beim Purpurweizen.