Am kommenden Wochenende steht das letzte Rennen der Saison in der ADAC GT4 Germany an, und einer von denen, die am Hockenheimring vor mehreren zehntausend Zuschauern um einen der begehrten Podestplätze mitfahren, ist der Schweinfurter Ferdinand Winter.
Der 19-Jährige startet seit 2022 in dieser Klasse mit einem Mercedes-AMG GT4 der CV Performance Group. Wenn alles gut läuft, erzählt Ferdinand im Gespräch, könnte er vom aktuell siebten Platz noch auf einen der vordersten Plätze hochrutschen. Der Titelgewinn ist nicht mehr drin, aber ein dritter Tabellenplatz in der Juniorenwertung wäre wohl möglich und der versöhnliche Abschluss einer Saison auf extrem hohen Niveau, die zwar erfolgreich, aber eben manchmal doch anders gelaufen ist, als es sich Ferdinand Winter gewünscht hätte.
Sprungbrett für Nachwuchstalente
Die ADAC GT4 Germany gilt als Sprungbrett für Nachwuchstalente in das ADAC GT Masters oder gar die DTM. An den sechs Rennwochenenden werden jeweils zwei Rennen von rund einer Stunde Dauer ausgetragen. Das Cockpit der seriennahen GT4-Boliden, ein Rennfahrzeug mit Straßen-DNA, teilen sich jeweils zwei Piloten, die in der Rennmitte den Fahrersitz tauschen. Der Erfolg hängt von verschiedenen Komponenten ab – ein Rennen ist nie wie das andere und es braucht Zeit, erklärt Ferdinand Winter, bis sich alles einspielt und zusammenpasst.
Bis zu 260 Stundenkilometer schnell ist er in seinem Mercedes AMG unterwegs, für seine Eltern auch immer wieder eine nervliche Belastung. Das Gefühl, erzählt Ferdinand, mit einem Rennauto über eine Rennstrecke zu fahren ist unbeschreiblich: "Die Kräfte, die in den Kurven oder während der Bremsphasen wirken, sind einfach nur der Wahnsinn". Die Anspannung vor dem Startschuss ist hoch, da ist nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Fitness extrem wichtig. Und wenn das Rennen rum ist und die Visiere geöffnet werden, werden aus Konkurrenten wieder Freunde; der GT-4 -Rennzirkus, sagt Ferdinand Winter, ist wie ein Familientreffen.
Peter Kessler ist der "Zieh-Opa und Mentor"
Doch wie kommt man zum Motorsport? Ferdinand Winter muss etwas ausholen, es gibt hier mehrere Erklärungen. Zuallererst nennt er da Peter Kessler, seinen "Zieh-Opa und Mentor". Der war mal Bayerischer Meister im Motorcross und hat mit seiner Liebe zum Motorsport Ferdinand schon früh angesteckt. Doch auch Sebastian Vettel sorgte mit seinen Erfolgen für "größte Begeisterung".
Nach einem Red Bull-Seifenkistenrennen im Fernsehen baute Peter Kessler in einem Anfall von Ferienlangeweile gemeinsam mit Ferdinand nach Internet-Anleitung eine Seifenkiste. Und mit der sauste der Zwölfjährige erstmals 2015 beim Seifenkistenrennen in Gerolzhofen die abschüssigen Straßen hinunter. Nicht rasant und schon gar nicht professionell, aber dennoch höchst erfolgreich, weil es hauptsächlich um Gleichmäßigkeit ging, und er war eben "gleichmäßig langsam" unterwegs. Als ersten Preis gab es damals einen Gutschein für die Kartbahn - damit war endgültig der Grundstein für die weitere motorsportliche Karriere gelegt.
Beim Lizenzlehrgang Potential gezeigt
Nach vielen Besuchen auf der Kartbahn ging er seinen Eltern mit seinen Kartsport-Ambitionen "gehörig auf die Nerven" und bekam schließlich einen Lizenzlehrgang geschenkt, wohl in der Hoffnung, dass dann endlich Schluss sei mit der Rennfahrerei, vermutet Ferdinand heute. Doch es kommt anders. Er schlägt sich auf der Rennstrecke in Fulda sehr erfolgreich und ihm wird Potential bescheinigt.
Ein paar Monate allerdings dauert es dann doch, bis Ferdinand schließlich die Eltern von der Teilnahme an einem Rennkart-Training überzeugt und mit geliehenem Kart und Mechaniker in Ampfing antritt – nicht sonderlich erfolgreich, wie Ferdinand heute zugibt: Er sei damals auf der regennassen Strecke einfach viel zu vorsichtig gefahren. Und so liegt die Karriere des jungen Schweinfurters erstmal wieder auf Eis, auch wenn er sich in dieser Zeit weiterhin mit Konzepten und der Planung von Sponsoringmodellen beschäftigt. Ende 2016 lernt er den Teamchef des MEN-Motorsport-Teams kennen, der seine Eltern schließlich von Ferdinands Talent überzeugt.
Wenn die Freunde beim Feiern waren, fuhr Ferdinand seine Runden
Im Renn-Kart fährt der Jugendliche von Erfolg zu Erfolg; nicht immer einfach neben Gymnasium und normalem Leben, denn wenn die Freunde beim Feiern waren, fuhr Ferdinand seine Runden: wurde Dritter bei den Bayerischen Meisterschaften, startete bei der Süddeutschen und im Bundesendlauf. 2018 wird er vom erfolgreichen Kartteam, der CV Performance Group von Kartweltmeister Christian Voss gescouted und fährt erstmals in der Saison 2019 bei den ADAC-Kart Masters mit, der anspruchsvollsten Kartserie Deutschlands. Er landet vielfach auf dem Podium, wird Vierter bei der Deutschen Meisterschaft und qualifiziert sich für die europäische Meisterschaft.

Erfolge und Leistungen, die ihm 2021 einen Platz in der AMG-Customer-Racing-Jugendakademie einbringen. Er wird – am Tag vor seiner Führerscheinprüfung übrigens - zum Testtag der GT4 geladen und bekommt wenig später einen Vertrag mit dem Team, für das er bereits Kart-Rennen fährt. Damit geht für ihn einer seiner größten Träume in Erfüllung.
2022 in seiner ersten Rookie-Saison im Mercedes AMG – er ist mitten im Abitur – gelingen ihm einige Podiumsplätze und viele Top 10-Platzierungen. Alles in allem eine tolle erste Saison, sagt Ferdinand nun, die er 2023 noch toppen will.
Ohne Sponsoring geht es im Motorsport nicht
Das Fahren ist die eine Seite, die Finanzierung des Sportes die andere. Ohne Sponsoring geht es im Motorsport nicht, auch wenn das Fahrzeug gestellt wird. Der Rennsport ist eine kostenintensive Angelegenheit, die der junge Rennfahrer, der seit letztem Jahr in Regensburg Europäische Betriebswirtschaft studiert, nur dank Partnerschaften finanzieren kann.
Der Motorsport bietet dabei unzählige Möglichkeiten, wie potentielle Partner ihre Kunden, aber auch die eigenen Mitarbeiter durch Incentives – wie zum Beispiel Taxifahrten im GT-4-Boliden neben Fahrer Ferdinand – an das Unternehmen binden können. Mehr Budget heißt nämlich auch mehr Fahrzeiten und die sind existentiell für den Erfolg. Nur mit dem Simulator daheim lassen sich keine Rennen gewinnen, sagt der Schweinfurter.
Seine Ziele hat Ferdinand Winter klar vor Augen: Im nächsten Jahr die GT 4 gewinnen und später dann der Aufstieg in die GT3 in der DTM und bei Langstreckenklassiker wie Daytona, Nürburgring, Le Mans und Spa um Siege und Meisterschaften mitkämpfen. Der große Traum ist jedoch ein Werksfahrervertrag, gerne auch bei der Mercedes AMG, wie ein berühmter Verwandter mütterlicherseits: Wolfgang Graf Berghe von Trips, der erste erfolgreiche deutsche Formel 1 Fahrer, der 1961 in Monza verunglückte und als Pionier des Kartsports gilt.
Das GT4 -Rennen, bei dem Ferdinand Winter am Samstag und Sonntag am Hockenheimring zum letzten Mal in dieser Saison startet, wird live bei Sport1 im Free TV übertragen. Rennstart ist am Samstag, 21.10., um 17.20 Uhr und am Sonntag um 16.30 Uhr.