"Eiscafe, Eiscafe! Sahne, Sahne, Sahne" – Na, erkennen Sie es? Das ist das sprachliche Dirigierbild für "America" aus der Westsidestory. Der doppelte Eiscafe symbolisiert den 6/8-Takt, die drei Portionen Sahneaufschlag den darauffolgenden 3/4-Takt. Alles klar? Wenn nicht, es geht auch herzhaft: "Ich will ein Stück Gelbwurst - da, da, da, da", dirigiert Martin Karl mit voller Leidenschaft die Filmmelodie "The Pirates of the Caribbean", und jeder im Orchester weiß, wie er zu spielen hat.

Im Proberaum des Musikvereins Geldersheim sitzen 24 Musiker aus ganz Unterfranken, auch aus Oberfranken ist einer dabei. Das Interesse am Schnupperkurs im Dirigieren, zu dem der Nordbayerische Musikbund eingeladen hat, ist groß. Der letzte Kurs fand vor fünf Jahren statt. Martin Karl, Dirigent des Kreisblasorchesters und beruflich Musiklehrer am Celtis-Gymnasium in Schweinfurt, will den Orchestermusikern "Lust aufs Dirigieren" machen und so viel Handwerkszeug beibringen, dass sie einspringen können, wenn in der Probe der Dirigent mal fehlt. Und vielleicht wird beim Reinschnuppern sogar das Interesse an einer Dirigentenausbildung geweckt. Denn Dirigenten werden in den Blaskapellen dringend gebraucht.
"Man muss als Dirigent übertreiben."
Martin Karl, Dirigent des Kreisblasorchesters Schweinfurt
Valentin Endres kann davon ein Lied singen. Er spielt Tuba, Klarinette, Tenorhorn und Saxofon bei der Stadtkapelle Gerolzhofen. Doch weil sich seit Jahren kein Dirigent findet, leitet er auch das Orchester. Mittlerweile schon seit zehn Jahren, ohne jemals eine Dirigentenausbildung genossen zu haben. Beim Schnupperkurs möchte er deshalb die Grundlagen des Dirigierens kennenlernen.

Die größte Herausforderung für Anfänger ist es, sich vor die Kapelle zu stellen. "Diese Hemmschwelle müsst ihr überwinden", sagt Martin Karl. Am Anfang gibt es deshalb erst einmal ein gemeinsames "Warm up" mit Klatschübungen. In der Höhe, in der die Hände zusammenklatschen, befindet sich die imaginäre Grundlinie, auf die der Dirigent seine Impulse setzt. Natürlicherweise klatscht man die Hände in Brusthöhe zusammen, also schwingt man den Taktstock später auch nicht über dem Kopf oder vor dem Bauch. Logisch. Sieht auch komisch aus. Einen Taktstock brauchen die Anfänger erst einmal nicht. Dirigiert wird mit den Händen. Mit beiden. Weil das am Anfang leichter ist. Später, wenn man's richtig kann, setzt der Dirigent nur mit einer Hand die Impulse und nutzt die zweite, freie Hand für stilistische Zeichen.




Martin Karl setzt sich ans Klavier und spielt den Narrhalla-Marsch. Eins, Zwei, Eins, Zwei. Bei Eins gehen die Hände nach unten, bei zwei wieder hoch. 48 Hände gehen rauf und runter. Der 2/4-Takt klappt wie am Schnürchen. Also geht's gleich weiter zur nächsten Lektion: der 3/4-Takt. Für Laien: der Walzer. Wird oft gebraucht in der Blasmusik. Tänzer wissen es, der Schwerpunkt liegt hier auf der Eins. Also gibt der Dirigent auf der Eins einen starken Impuls nach unten, zieht auf Zwei die Hände leicht nach außen und auf Drei wieder locker nach oben. "Eins, außen, hoch", spricht Martin Karl die Bewegung laut vor. Bildlich soll das eine Art Brezel-Form ergeben. Hier bedarf es eindeutig noch etwas Übung, damit es wie eine Brezel aussieht. Noch schwieriger wird's beim 4/4-Takt. Die Hände gehen bei Eins nach unten, bei Zwei nach außen, malen bei Drei einen ovalen Kreis auf die imaginäre Grundlinie und gehen bei Vier wieder nach oben. "Ganz schön anstrengend", meint ein Teilnehmer. Und es gibt sogar noch eine Steigerung: der 6/8-Takt. Hier müssen die Hände ein regelrechtes Wellenmuster zeichnen. Für Anfänger eindeutig zu schwierig, deshalb bleiben wir beim 3/4-Takt. "Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, eins, zwei drei." Rund und schwungvoll wird zum Wiener Walzer der Bleistift als Taktstock geschwungen. Übrigens: Der Dirigent sollte keine bunte, auffällige Kleidung tragen. "Das lenkt die Musiker ab", sagt Martin Karl. Er rät zu neutralem Schwarz, weil sich hiervon der weiße Taktstock am besten abhebt. Und: "Der Dirigent dirigiert auch nach hinten." Will heißen, dass man am Dirigentenpult immer im Fokus des Publikums steht. Also sollte das Dirigieren auch von hinten gut ausschauen. Martin Karl empfiehlt, zuhause vor dem Spiegel zu üben.

Beim Schnupperkurs geht's aber erstmal nicht um die Optik, sondern um die Grundlagen. "Das kann ruhig handwerklich aussehen", macht Martin Karl Mut, nach den Trockenübungen ans Dirigentenpult zu treten. Als Übungsstück hat er die Titelmelodie von "Pirates of the Caribbean" ausgesucht. Die Instrumente werden ausgepackt. Valentin Endres traut sich als Erster. "Man merkt die langjährige Praxis", meint Martin Karl anerkennend. Doch bei aller Routine: "Nicht das Schlagbild vergessen." Also die Hände nach unten, nach außen, nach oben.

Auch bei Maria Mitnacht sieht das Dirigieren schon ziemlich perfekt aus. Die 29-jährige Flötistin leitet seit einem Jahr die Laurentius-Musikanten in Heidingsfeld, hat also auch schon Übung. Ebenso Hubert Saam, der seit einem Jahr Dirigent der Eschenbachtaler in Eckartshausen ist. Routiniert und deutlich gibt er den Einsatz, so dass das Orchester problemlos seinem Dirigat folgen kann. "Man muss als Dirigent übertreiben", weiß Martin Karl aus Erfahrung. Denn je deutlicher die Einsätze gegeben werden, desto besser kann das Orchester die Impulse umsetzen. "Wenn's klackert, liegt's meist am Dirigenten."

Jeder, der will, darf sich einmal ans Dirigentenpult stellen. Auch die absoluten Anfänger im Kurs trauen sich. So wie Solveig Steiche, die in der Erwachsenen-Bläserklasse im Landkreis Schweinfurt Klarinette spielt und noch nie einen Taktstock in der Hand gehalten hat. Oder Johanna Koberstein aus Wartmannsroth (Lkrs. Bad Kissingen), die den Schnupperkurs besucht, weil die Dorfkapelle seit eineinhalb Jahren vergeblich einen Dirigenten sucht. Sogar Schlagzeuger Felix Wenz aus Bayreuth tauscht für eine Übungseinheit seine Trommelstöcke gegen den Taktstock ein.
Nach gut drei Stunden ist nahezu die Hälfte der Teilnehmer zum Zug gekommen. "Es hat Spaß gemacht", sagen alle übereinstimmend. Der Schritt vom Schnupperkurs zur Dirigentenausbildung ist allerdings ein großer. Denn eine Voraussetzung dafür ist die bestandene Instrumentalprüfung D3, also das goldene Musikerleistungsabzeichen. Und das schreckt vor allem die älteren Musiker ab. Denn dafür müssten sie noch einmal die Schulbank drücken.