Warum fließt in manchem Wernecker vielleicht toskanisches Blut? Und warum wurde auf der Bahnstrecke Würzburg-Schweinfurt der Bahnhof in Waigolshausen und nicht in Werneck gebaut? Solche Fragen machen neugierig, mehr über Wernecks Geschichte des 19. Jahrhunderts zu erfahren. Bernd Göbel, Vorsitzender des Historischen Vereins, hatte die Antworten bei seinem Vortrag parat.
Gekleidet in ein Biedermeierkostüm, mit Frack, Weste und Zylinder, erwartet Göbel die 200 Interessierten im Guddensaal von Schloss Werneck. Im fünften Vortrag des Historischen Vereins zur Veranstaltungsreihe "800 Jahre Werneck" zieht er alle Register: Fotos, Karten und Bilder unterstreichen auf der Leinwand seine Ausführungen, Musik des Würzburger Waldhorn-Quartetts sowie von Christine Geiger am Klavier und Johann Krebs am Cello garnieren die Geschichten, und seine launige Erzählweise sorgt für heitere Stimmung.
Uneheliche Kinder mit dem Küchenpersonal
Ein entscheidendes Jahrhundert für Werneck hatte 1802 mit dem Ende des Fürstbistums Würzburg begonnen. Der letzte Fürstbischof Georg Karl von Fechenbach entließ im November von seinem Sommerschloss Werneck aus seine Untertanen. Sein ehemaliges Herrschaftsgebiet erlebte diverse Machtwechsel: Infolge der Napoleonischen Kriege wurde es erst bayerisch, dann von 1806 bis 1814 dem Bruder des österreichischen Kaisers, Ferdinand, zugesprochen, dann wieder bayerisch. Ferdinand trug den Titel Großherzog von Toskana und weilte während seiner Würzburger Regentschaft hauptsächlich in Werneck.
Zurückgezogen soll der Witwer mit seinen Kindern im Schloss gelebt haben. Allerdings gab es das Gerücht, dass Ferdinand beim Küchenpersonal einige uneheliche Kinder hinterlassen haben soll. Weshalb vielleicht heute noch bei den Urururenkeln in Werneck toskanisches Blut durch die Adern fließen könnte.
Weil mit der Regentschaft des frisch gekürten bayerischen Königs das Wernecker Schloss und sein Vorhof weit weg von München waren, verloren sie zusehends die Aufmerksamkeit der Prominenz. Zwar streiften ab und an gekrönte Häupter vor allem wegen der Poststation auf der Chaussee, der heutigen B 19, die Gegend, etwa 1812 die französische Kaiserin Marie Louise oder 1815 Johann Wolfgang von Goethe. Aber viel los war hier nicht mehr.

Hinzu kam, dass mit dem Wiener Kongress 1815 die Fürsten ihre alte Macht zurück erhielten und die Menschen sich enttäuscht vom Misslingen ihrer Revolution ins Privatleben zurückzogen: Die Zeit des Biedermeier begann.
1854 erfolgte der Bau der Eisenbahnstrecke
Das bayerische Königreich hatte zwar seine Verwaltungsstrukturen aufgebaut, hatte in Werneck ein Landgericht, ein Gefängnis und ein Rentamt – Finanzamt – errichtet. Aber im leerstehenden Schloss fiel beim Deckenfresko im Hauptsaal der Putz herunter, wusste Göbel.

In dieser Zeit gründete der damalige Landrichter sogar eine "Anstalt zur Beförderung der Sittlichkeit". Auch Sparsamkeit und Fleiß zählten zu den Tugenden, was die 1839 gegründete "Districts-Sparkasse" Werneck belohnte.
Aus dem Dornröschenschlaf, so der Hobby-Historiker, erwachte Werneck mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Würzburg-Schweinfurt 1854. Dass der Bahnhof in Waigolshausen errichtet wurde, hatte nichts mit einem angeblichen Widerstand des Posthalters im Gasthof Krone in Werneck zu tun, widersprach Göbel einem Gerücht. Vielmehr waren die beiden Steigungen zwischen Eßleben und Werneck der Grund gewesen, weshalb eine Streckenführung über Waigolshausen leichter war. "Krone"-Besitzer Nikolaus Bötsch richtete einen Kutschen-Pendelverkehr zum Bahnhof ein, was dem Ort zugute kam.
Katholische Kirche wurde mit einem Teil des Fruchtspeichers erbaut
Die Bahnlinie wurde zur Initialzündung, der Ort wuchs an Gebäuden und Einwohnern. Ein Jahr später, 1855, wurde vom "Kreis Unterfranken" die "Kreisirrenanstalt" im Schloss eröffnet, geleitet von Bernhard Gudden, der 1886 mit König Ludwig II. im Starnberger See unterging. Beim Umbau des Schlosses wurde allerdings das barocke Treppenhaus herausgerissen, aber auch das Oegg-Tor – ursprünglich für die Würzburger Residenz erstellt – auf dem Fruchtspeicher wiederentdeckt.

Die katholische Kirche wurde mit einem Teil des Fruchtspeichers erbaut, im gleichen Jahr 1856 auch das "District-Spital", wo heute das Kreisaltenheim ist.
Drei Gaststätten gab es im Ort, die Posthalterei wechselte zwischen ihnen, erst 1878 wird die "Krone" zur "Krone-Post". "Plötzlich war viel los im Ort", so Göbel.
Die Einwohnerzahl stieg von 400 im Jahr 1852 auf 1200 in 1880. Die Menschen wurden vom Amtsarzt als "fleißig, verträglich und friedsam" beschrieben, "blos das Baden ist unserer Landbevölkerung fremd", las Göbel unter dem Gelächter der Zuhörer aus dem "Physikatsbericht" vor.

"Moderne Zeiten" brachen an, mit Telegrafenstation, Ortstelefonnetz, Stromnetz und Wasserversorgung. Auch das Automobil kam um die Wende zum 20. Jahrhundert nach Werneck, wie etliche Fotos beweisen.
Großer Applaus und der Dank von Altbürgermeisterin Edeltraud Baumgartl vom Orga-Team des Jubiläums war Göbel gewiss, der auf die weiteren Vorträge verwies.