Sonja Weisensee aus Kleinbardorf war schlicht enttäuscht. Mit ihrem Mann und den beiden Kindern hatte sie „zwischen den Tagen“ die freie Zeit genutzt für einen Ausflug nach Schweinfurt mit anschließendem Besuch des renommierten Weihnachtscircus Carl Busch.
Ihre Vorfreude galt dabei besonders den Tigern, die auf einigen Ankündigungsplakaten zu sehen sind sowie auf der Internetseite unter den Programmpunkten auftauchen. Tiger-Dompteuse Carmen Zander, die normalerweise regelmäßig im Circus Busch auftritt, gilt als eine der renommiertesten Vertreterinnen ihrer Zunft, war im Vorjahr auch in Schweinfurt zu sehen.
Heuer allerdings nicht, was Pressesprecher Reto Hütter damit begründet, dass die Öffentlichkeit derzeit das Thema Wildtierdressuren „sehr sensibel“ diskutiere und man vor allem auch abwarten wollte, wie sich die Politik hierzu stelle. Erst am 25. November – also exakt einen Monat vor Gastspielbeginn in Schweinfurt – hatte der Bundesrat seine Entscheidung zur Wildtierhaltung im Zirkus verabschiedet. Da aber habe das Weihnachtsprogramm bereits festgestanden.
Die Entscheidung des Bundesrates dürfte der enttäuschten Zirkusbesucherin übrigens wenig schmecken. Dieser fordert von der Bundesregierung demnach die unverzügliche Vorlage einer Rechtsverordnung, die „das Halten von Tieren bestimmter wild lebender Arten in Zirkusbetrieben verbietet.“ Tiger sind dabei zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dafür aber insbesondere „Affen (nicht menschliche Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde“. Allerdings soll die gesetzliche Regelung für „bereits vorhandene Tiere unter Berücksichtigung ihrer Lebensdauer eine Übergangsfrist“ vorsehen.
Für Reto Hütter sind Tiger in Schweinfurt – etwa beim Gastspiel im nächsten Winter – damit noch nicht endgültig passé. „Wenn das Publikum es wünscht, werden wir ganz sicher auch wieder mit Carmen Zanders Nummer nach Schweinfurt kommen“, sagt er. Allerdings verweist er auch auf die Gegebenheiten in Österreich und der Schweiz, wo „Wildtiere generell aus den Zirkusvorstellungen verschwunden sind“. Vor diesem Hintergrund hätten es die Tierhalter und Dompteure selbstverständlich schwerer, ihre Standards aufrecht zu halten. Oder anders ausgedrückt: Auf längere Sicht wird es zumindest im deutschsprachigen Raum wohl kaum noch namhafte Raubtiernummern im Zirkus geben.
Zurück aber zu Sonja Weisensee, die verärgerte Besucherin. Sie habe – sagt sie – die ganze Vorstellung über auf die Raubkatzen gewartet, ebenso wie natürlich ihre Familie und die Sitznachbarn. Anschließend habe sie das Gespräch mit dem Direktor gesucht, der „erbost“ reagiert und eben auch auf die veränderte Gesetzeslage hingewiesen habe. Anschließend sei er „davongerauscht“. Die Besucherin: „Das geht doch so nicht. Wenn ich beim Bäcker fünf Brötchen bestelle und ein Hörnchen, er mir aber nur fünf Brötchen gibt, weil Hörnchen bald verboten werden, habe ich auch allen Grund, mich zu beschweren.“
Pressesprecher Hütter hingegen argumentiert, dass Tiger nirgends als fester Programmbestandteil für Schweinfurt angekündigt worden seien, insbesondere nicht online, wo es eine extra Seite mit den Schweinfurter Höhepunkten gebe, auf der keine Tiger auftauchten. Für die Plakate in diesem Winter habe man ein eigenes Schweinfurt-Sujet gebastelt, auf dem sich auch das historische Rathaus wiederfinde – aber kein Tiger.
Das ist wahr. Vereinzelt aber hängen auch Plakate, auf denen ein Pferd, ein Elefant und eben ein Tiger zu sehen sind. Ganz unschuldig ist der Circus Carl Busch an dem entstandenen Missverständnis also nicht. „Hundert Mark sind kein Pappenstiel“, sagt Sonja Weisensee mit Blick auf die 50 Euro, die der Besuch im tigerlosen Zirkus sie und ihre Familie gekostet hat. Vielleicht können die Zirkusleute der Dame ja großzügigerweise helfen – mit einem Gutschein für die Show im nächsten Jahr, vielleicht auch mit Tigern...