Als der 64-jährige Gustl G. Kirchner im November 1984 in seinem Atelier tot aufgefunden wurde, kam dies überraschend für seine Freunde und Verwandten. Der in Oberndorf geborene Künstler hatte bis zur letzten Minute seines Lebens mit vollem Elan gearbeitet. Sein vielseitiges Werk umfasst Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Sgraffitos, Mosaiken und Betonglasfenster. Dabei schien sich Kirchners Lebensweg zunächst in eine ganz andere Richtung zu entwickeln.
Anlässlich des 40. Todestages wird die Dauerausstellung im Künstlerhof Oberndorf in Kirchners ehemaligem Wohnhaus neu kuratiert. Hier wird der Maler im Kontext einiger Zeitgenossen, wie er allesamt Gründungsmitglieder der „Gruppe Schweinfurter Künstler“, gewürdigt. Die Ausstellung „Gustl G. Kirchner – Wellen, Wogen, Wasser“ eröffnet am Mittwoch, 20. November.
Als Sohn eines Landwirts verlor er bereits im Kindesalter den Vater und musste als Siebzehnjähriger den elterlichen Hof übernehmen. Im Zweiten Weltkrieg wurde Kirchner als Kavallerist zur Wehrmacht eingezogen. 1944 wurde er an der Ostfront schwer verwundet und verbrachte mehrere Monate im Lazarett. Dort, an das Bett gefesselt, unternahm er die ersten Malversuche. Nach Kriegsende ermutigten ihn der aus Berlin stammende Künstler Rainer E. Fasshauer und der Maler und Regisseur Luigi Malipiero, seine künstlerischen Neigungen zu vertiefen.
Gustl G. Kirchner kam 1958 nach Schweinfurt
Beide Mentoren brachten Kirchner in Schweinfurt mit dem Expressionismus in Kontakt. Insbesondere die Maler der Münchener Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ übten auf ihn eine besondere Anziehungskraft aus. 1955 erfüllte sich der Herzenswunsch des inzwischen 35-Jährigen, als er an der Werkkunstschule in Offenbach, heute die Hochschule für Gestaltung und Kunst der Grafiktechniken, angenommen wurde.
Ab 1958 ließ sich Kirchner als freischaffender Künstler in Schweinfurt nieder. Es folgten neben Ausstellungen zahlreiche Aufträge für Kunst am Bau in Schweinfurt und der Region. Viele Sgraffitos, vor allem Betonglasfenster wie die der Kirche Maria Hilf in der Gartenstadt oder dem Friedrich-Rückert-Bau, entstanden in dieser Zeit. Die strahlenden Farben und die fließenden Formen der Fenster findet man auch in seinen Papierarbeiten. Unvergessen sind bis heute Kirchners Tierdarstellungen, insbesondere seine markanten Pferde-Abbildungen.
Ein wesentliches Leitmotiv in seinem gesamten Œuvre ist das Wasser in all seinen Erscheinungsformen. Egal ob in der fränkischen Heimat oder auf seinen zahlreichen Reisen durch Frankreich, Italien, Griechenland oder Malta: Er malte den sich gemächlich dahinschleppenden Main ebenso wie den im Sonnenlicht blutrot gefärbten Ohridsee in Albanien. Am faszinierendsten war für Kirchner aber das Meer in allen seinen Facetten von der rauen bretonischen Küste bis zu den warmen Stränden Siziliens.
Stets findet man in seinen Landschaften Spuren menschlichen Lebens. Zwar kommen die Arbeiten in der Regel ohne figürliche Darstellungen aus, jedoch verweisen Häuser, Schiffe oder Fischernetze auf die dort lebenden Bewohner. Diese leisen Landschaften passen in die Naturmystik des Malers, der sich in seinen Werken stets respektvoll der Schöpfung in Flora und Fauna nähert. Dabei bildet er diese nicht einfach ab, sondern transponiert das Gemalte in die gegenständliche Abstraktion.
Begleitend zur Ausstellung besteht die Möglichkeit, an Führungen teilzunehmen. Der erste Termin ist für Sonntag, 24. November, um 14.30 Uhr geplant. Hier führt die Kuratorin Julia Metzig durch die Präsentation.
Anmeldung beim Besucherservice der Kunsthalle, Tel. (09721) 514744 oder unter info@kunsthalle-schweinfurt.de. Weitere Termine werden auf der Homepage unter www.kunsthalle-schweinfurt.de bekannt gegeben.