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GEROLZHOFEN: Welttheater: Der Tod kommt als Lichtgestalt

GEROLZHOFEN

Welttheater: Der Tod kommt als Lichtgestalt

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    Hochgradig spirituell, hochgradig professionell, grandios inszeniert und perfekt besetzt – es kommt nicht oft vor, dass Gerolzhofen Theater dieser Qualität erlebt. Und es ist wohl überhaupt noch nicht vorgekommen, dass Laien eine solche Qualität generiert haben. Die Premiere von Hugo von Hofmannsthals „Das Salzburger große Welttheater“ übertraf selbst hoch angesetzte Erwartungen.

    Silvia Kirchhof inszeniert das Welttheater in ihrem Regie-Debüt sehr werktreu. Kirchhof arbeitet äußerst sparsam mit Requisiten; die Akteure haben – ganz wie in der nichtigen und eitlen Welt, in der sie leben – fast nichts, woran sie sich wirklich festhalten können. Dafür nutzt die Regisseurin den gewaltigen Kirchenraum des Steigerwalddoms. Er legt sich wie ein Kosmos um das irdische Treiben auf der Bühne.

    Der unsichtbare Meister (Peter Kirchhof) inszeniert sein Schauspiel mit mächtiger Stimme aus der unergründlichen Weite dieses Kosmos'. Wichtig dabei: Der Mensch ist für Gott nicht eine Marionette, wie der Widersacher (Raimund Andre Gilbert) mutmaßt, sondern er hat die Wahl zwischen Gut und Böse.

    Gilbert und Pfarrer Jean-Pierre Barraud als Vorwitz bestechen durch ihre sprachliche Präzision und ihr pantomimisches Geschick, mit dem sie das gesamte Spiel begleiten und seine Elemente wie mit Klammern zusammenhalten.

    „Ach wie flüchtig ist des Menschen Leben.“

    Silvia Kirchhof als „Die Zeit“ im Welttheater

    Aus dem dunklen Kirchenraum ziehen in imposanter Prozession die leiblosen Seelen auf die Bühne mit ihren zwei Spielebenen, um ihre Rollen zu empfangen. Hier setzt die große Darstellungskunst des Markus Grimm ein, des einzigen Profis im Ensemble. Er steht in diesem Stadium noch in voller Kraft, er wehrt sich gegen die Zuteilung des Bettler-Parts, er will eine Rolle, „in der Freiheit ist“. Noch ist der Widerspenstige längst nicht gezähmt, obwohl die Engel (Uli Hillebrand und Katarzyna Wrona) schon hier das demütige „Dein Wille geschehe“ anmahnen.

    Im ausladenden Gewand wacht Marianne Schirling, die Welt, souverän über das Geschehen, ebenso wie die sanfte Hiltrud Weinig als bescheidene Weisheit, die am Ende ...

    ... gerne ihr Signum, das Kreuz abgibt. Sie weiß, dass dort, wo sie hingeht, äußere Zeichen nicht mehr nötig sind.

    Auch optisch klar als Gegensatz herausgearbeitet ist der Figurenkreis, der seine Rolle für die wichtigste überhaupt hält – der huldvolle, aber machtbesessene König (Mario Döpfner), der protzige Reiche (Lothar Zachmann, der durch sicher vorgetragene Monologe gefällt), die selbstverliebte Schönheit (Dagmar Schmidt). In diese Reihe gehört auch der Bauer (Pfarrer Stefan Mai), der seine Rolle nicht nur in perfektem Fränkisch spielt, sondern auch eine bemerkenswerte äußere Wandlung vom prahlerischen Besitzständler zum zittrigen Tattergreis bewältigt.

    „Ach wie nichtig, ach wie flüchtig ist des Menschen Leben“ singt schließlich Silvia Kirchhof (Die Zeit) das Lied von der Vergänglichkeit der Welt (vanitas mundi), jenen prägenden Gedanken des Barock, den Hofmannsthal stärker noch als Calderon zu einem Zentralmotiv macht.

    Die Zeit bereitet dem Tod den Weg. Philipp Errington-Zietlow steigt nicht etwa als schwarzer Sensenmann, sondern im weißen Frack, als Lichtgestalt also, von der Kirchenkanzel herab und beruft einen nach dem andern von der Bühne ab. Errington-Zietlow spielt den Tod in seiner ganzen Unerbittlichkeit. Das Publikum erschrickt, denn manchmal scheint er sich auch jemand aus dem Zuschauerraum holen zu wollen. Dabei ist der Tod gar nichts Schlimmes, sondern nur der Erfüllungsgehilfe Gottes, der das Theater auf dieser Welt beendet.

    Das erkennt der geläuterte Bettler. Sinn des ganzen Spiels soll es sein, eine neue Welt zu schaffen, „sonst wäre es ein ärmliches.“

    Nein, es war kein ärmliches Spiel, das das Laienensemble da anbot. Das war ganz großes Theater im kleinen Gerolzhofen. Die Zuschauer starrten zwei Stunden lang wie gebannt auf das allegorische Geschehen. Als das von Kantor Karl-Heinz Sauer ausgelöste Orgelbrausen (Kompositionen Achim Hofmann) fast schon das visionäre Schlusswort „Bereitet euch auf ungeheures Licht“ erdrückte, brandete heftiger Applaus auf, der in Bravo-Rufe und in stehende Ovationen mündete.

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