Es ist eine sprichwörtliche Laune der Natur, die man derzeit an zahlreichen Rebstöcken im Landkreis Schweinfurt beobachten kann. Da hängen goldgelbe, reife Träubel etwa vom Gewürztraminer an der Pflanze – prall und süß. Und daneben noch grasgrüne Früchte, hart, stocksauer. Von „unterschiedlichen Traubengenerationen“ spricht in diesem Zusammenhang Winzer Sebastian Lother aus Wipfeld. Ursächlich für dieses Phänomen ist eine Frostnacht aus dem Mai, die den Rebstöcken je nach Lage unterschiedlich stark zusetzte und diese letztlich dazu animierte, ein zweites, manchmal gar drittes Mal Blüten auszutreiben.
Die Konsequenz: „Wir müssen jeden Rebstock heuer mindestens zweimal anfassen“, sagt Jürgen Dahms mit Blick auf seinen acht Hektar großen Weinberg in Mainberg. Zumindest die erste und zweite Traubengeneration werde man heuer wohl lesen und erwarte auch eine gute Qualität. Was die dritte Generation betrifft, ist sich Dahms noch nicht sicher: „...die werden wohl nicht mehr ausreifen. Vielleicht machen wir später einen Stoppelwein daraus.“ Der so genannte Stoppelwein ist qualitativ weniger hochwertig, da aus Trauben mit niedrigem Öchslegehalt gekeltert und wird mancherorts als einfacher Tisch- oder Hauswein gereicht.
In den Mainberger und Schweinfurter Steillagen des Weingutes Dahms wird traditionell von Hand gelesen. Anders in Wipfeld, wo laut Sebastian Lother normalerweise häufiger der Vollernter zum Einsatz kommt. Er „pflügt“ langsam durch die Weinberge, schüttelt dabei das Traubengut von den Rebstöcken.
„Wir müssen jeden Rebstock heuer mindestens zweimal anfassen.“
Jürgen Dahms, Winzer am Mainberger Schlossberg
„Heuer werden wir ihn wohl besonders sensibel einstellen und die Schlagzahl herunterfahren müssen“, ahnt Lother, dass die Ernte kniffelig wird. Denn die reifen Träubel sollen natürlich gelesen werden, die noch unreifen der nächsten Generation aber am Stock verbleiben. Letztlich müsse man aber auch „öfter mit Helfern in den Weinberg einrücken und von Hand lesen.“
Spricht man mit fränkischen Winzern in diesen Tagen, kommt man zwangsläufig auf das Thema „Federweißen“. Wo der Ertrag niedrig ist (die Einbußen werden je nach Lage auf 20 bis 40 Prozent beziffert) soll das wertvolle Traubengut nicht unbedingt als „Bremser“ enden. Jürgen Dahms fährt da eine ganz harte Linie: „Wir werden ganz sicher keinen Federweißen abfüllen – uns fehlen insgesamt rund 40 000 Liter Most.“ Das ist in etwa auch die Menge, die man in den zurückliegenden Jahren an Verbrauchermärkte im Umkreis und mainaufwärts bis nach Bamberg lieferte. Stattdessen bezieht man jetzt Federweißen aus der Pfalz, vornehmlich aus der Ortega-Traube und vertreibt diesen auch wie gehabt.
Ortega - diese Sorte hat Sebastian Lother in Wipfeld bereits gelesen, wobei der Ernteausfall bei rund 50 Prozent lag. Bremser gibt's davon auch hier keinen, aber später wird man einen Teil der anderen Sorten dafür reservieren. „Zur Eröffnung unserer Heckenwirtschaft am 1. Oktober haben wir auf jeden Fall fränkischen Federweißen im Angebot“, verspricht der Winzer, der zwölf Hektar bei Wipfeld und 1,5 Hektar im Steigerwald bewirtschaftet. Außerdem soll der begehrte, leicht angegorene Most auch ab Hof verkauft werden.
So schlecht das Weinjahr 2011 sich auf der Ertragsseite auch darstellt: Die Qualität wird wohl gut. „Jeder Tag, den die Trauben bei der aktuellen Witterung noch am Rebstock hängen, bringt fast zwei Grad Öchsle extra“, ist Jürgen Dahms überzeugt. Er berichtet außerdem von extrem gut ausgebildeten Früchten, „fast so groß wie Tafeltrauben“. Die ganze Kraft des Rebstocks schieße förmlich in die vergleichsweise wenigen Beeren. Auch Kollege Lother glaubt an die hohe Qualität des aktuellen Jahrgangs, bangt aber auch jetzt wieder ein wenig um die Menge: „Zurzeit macht uns Wespenfraß erheblich zu schaffen. Die angefressenen Trauben müssen vom Stock, bevor sich Pilzkrankheiten bilden...“
Was man über den Frankenwein des Jahres 2011 übrigens sonst noch sagen kann: Er wird nicht billig. Jürgen Dahms berichtet, dass seine festen Trauben- und Mostlieferanten aus dem südlichen Landkreis derzeit mit hochpreisigen Kaufangeboten von Mitbewerbern geködert werden. Er hat dafür durchaus „ein gewisses Verständnis“, denn mit den geringen Erträgen sei es schwer, eine Familie zu ernähren. Andererseits werde es auch wieder bessere Jahre geben, in denen man froh sein müsse, über gewachsene Geschäftsbeziehungen. Den ersten Wein aus 2011 wird es bei ihm heuer schon zum Weihnachtsgeschäft geben. „Wir müssen ein paar Junge dazu nehmen, der Jahrgang 2010 ist schon fast ausverkauft“, so Dahms.