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GRAFENRHEINFELD: Wenn Mama Bavaria vom Leder zieht

GRAFENRHEINFELD

Wenn Mama Bavaria vom Leder zieht

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    Luise Kinseher bewahrte in der Kulturhalle keine Ruhe.
    Luise Kinseher bewahrte in der Kulturhalle keine Ruhe. Foto: Foto: D. Schneider

    Bereits zum zweiten Mal hieß es in Kulturhalle „Ruhe bewahren“ mit Luise Kinseher. Der thematische Rahmen ist geblieben, auch die radikale Offenheit, mit der die Mama Bavaria vom Nockherberg bei ihren Bühnenauftritten derbleckt.

    Doch etwas stimmt in dieser Welt nicht mehr: die ganzen Kriege, die Luftverschmutzung und die CSU natürlich. Neben „Depp“ Horst muss sie sich nun auch noch mit „Volldepp“ Söder rumärgern. Als Luise Kinseher darf sie so nicht zetern, sondern lässt das ihre promillegeschwängerte Bühnenfigur Mary von Bavary lallen. Leider hat sie auf dem Nockherberg noch nicht genug Geld für den Ruhestand und die schicke Wohnung in der Münchner Innenstadt verdient und so redet sie halt.

    Bedeutung hat das nicht, sagt sie und rollt dabei ganz wunderbar die Augen. Ans Publikum in der Kulturhalle, die sie mal wieder zum Staatstheater umfunktioniert, weil ihr der Auftritt in der tiefsten unterfränkischen Provinz wohl doch etwas peinlich ist, hat sie folglich keine besonderen Anforderungen, freut sich zum Ende dann aber doch: „Sie haben mir wahnsinnig gutgetan.“

    Gemeinsam mit den Unternehmern, der Podologin und dem pensionierten Personalabteilungsleiter aus der ersten Reihe lässt es sich nämlich leichter auf den Anruf eines potenziellen Lovers warten, dem sie irgendwo in einem Fahrstuhl mit Tiefgang begegnet ist – ein Mann wie die Kinseher: „geistreich, intelligent und erotisch“, der mehr taugt als nur für eine Nacht.

    Bis zum voraussichtlichen Dating-Happy-End vergehen zwei Stunden, in denen die Kabarettistin mit unvergleichlicher Mimik und Theatralik in drei verschiedene Rollen schlüpft und dabei sicherlich nicht für Ruhe sorgt. Klimawandel, Pflegenotstand, Finanzkrise, die Taliban, die geplatzte Jamaika-Koalition mit einer einzigen Gemeinsamkeit: die Uhrzeit und vor allen Dingen das bayerische Kabinett bringen die 48-Jährige in Rage. Zu gerne hätte sie da die „Emotionskiller, die die in München einschmeißen“.

    Die Zeit spielt im Programm die Hauptrolle. Während im Niederbayerischen – ein Running Gag – die Uhren auf halbdrei stehengeblieben sind, haben die „Menschen ein tiefes Bedürfnis Zeit zu sparen“, sogar eine Buße-App gibt es jetzt. Denn merke: Wer schneller büßt, hat mehr Zeit zu sündigen. Immer wieder nimmt sie abrupt das Tempo aus der kabarettistischen Tour de Force, hockt an ihrem Tischchen und wartet so entspannt auf jenen Anruf, „dass sie fast ins Koma fällt“.

    Die zugeknöpfte Rentnerin Helga Frese ist da schon weiter: Mit der Demenz ihres Mannes hat sie endlich zur inneren Gelassenheit gefunden, während Mary from Bavary in der zur Lounge mutierten Stammkneipe mit Hopfen-Smoothies (Weizenbier) kämpft und Obst nur aus dem Stamperl genießt. „Wo kein Hirn da kein Kopfweh“, lamentiert Mary und sieht dabei den ganzen „Quantenquarks“ auch ohne Google-Brille philosophisch klar.

    Irgendwo im Hawking'schen Fastnichts gibt es nach dem nötigen menschlichen Evolutionssprung eine „Parallelwelt ohne Klimawandel und CSU“, in der wir als zusammengefaltete Götter sitzen, nix hören und der Stille lauschen, während Seehofer als Busfahrer umherdüst und Merkel Trumps Frisur zerlegt.

    Zu guter Letzt kommt natürlich der ersehnte Anruf, die Kinseher hat ihr Date und verlässt mit einem Liedl auf den Lippen und einem kernigen Spruch „ich hab euch alle lieb, aber jetzt ist es auch mal gut“ die Bühne. Großer Applaus.

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