„Ohne Begeisterung ist noch nie etwas Großes entstanden.“ Die Worte stammen von Ralph Waldo Emerson, einem amerikanischen Philosophen und Schriftsteller. Klaus Rehberger nutzt sie am Samstagabend im Theater der Stadt Schweinfurt, um die Geschichte des Turngaus Schweinfurt-Haßberge zu beschreiben.
Der Vorsitzende hat zum Jubiläum des Verbands eingeladen und betont, warum der Turngau über eineinhalb Jahrhunderte bestehen konnte: „Wenn man etwas Großes schaffen will, geht das nur, wenn man die entsprechende Begeisterung mitbringt.“ Rehberger spricht von den Turnern, die im Verein aktiv sind und von denen, die sich ehrenamtlich engagieren. „Es sind die Menschen, die ihn mit Leben erfüllen“, sagt der Vorsitzende.
Grundwerte sollen erhalten bleiben
Zu Beginn seiner Rede zitiert Rehberger aber sich selbst – mit dem, was er schon beim Jubiläum vor 25 Jahren, also zum 125-jährigen, gesagt hat. „In einer Zeit, die uns tagtäglich aufzeigt, dass die Wertschöpfung und die Produktivität ihre Grenzen haben, gewinnt das Besinnen auf die alten turnerischen Ideale wieder mehr an Bedeutung.“ Mit den Idealen meint der Vorsitzende ein gesundes Verhältnis von Körper und Geist sowie Achtung und Fairness im Umgang mit seinen Mitmenschen. „Wenn es uns gelingt, diese Werte mit in das nächste Jahrhundert hinüber zu retten, dann habe ich keine Sorge um die nächsten 125 Jahre des Turngaus Schweinfurt-Haßberge“, erinnert Rehberger an seine damaligen Worte.
Seitdem habe sich vieles positiv entwickelt. Noch immer seien die Ideale in der Turngemeinde präsent. Rehberger appelliert an die Zuhörer, dass das auch in Zukunft gelten solle. Die Grundwerte seien zwar „zeitlos, jedoch leider nicht für jeden selbstverständlich. Sie verdienen es daher, dass wir uns tagtäglich auf sie zurück besinnen.“
Oberbürgermeister und Schirmherr Sebastian Remelé geht auf die Bedeutung des Turnens für die Gesellschaft ein. Es sei wichtig für die Menschen – und ohne die Turner und Ehrenamtlichen nicht möglich. „Sie sind die Triebfeder, die Garanten eines intakten Sportlebens, einer Gemeinschaft, die unsere Jugend motiviert“, so Remelé.
Für das anstehende Landesturnfest im Jahr 2019 in Schweinfurt wünscht sich der Oberbürgermeister daher, dass es sich zu einem Fest für alle Menschen entwickle. „Es wird ein Turnfest, aber es wird eben nicht nur ein Turn- und Sportfest.“ Ein Bürger- und Kulturfest solle entstehen, „was die gesamte Stadt beherbergen wird“.
Zehn Minuten Turnen in fast zwei Stunden Veranstaltung
Zwischen den zahlreichen Reden und Rückblicken in die Geschichte des Turngaus führen Sportler kurze Shows aus ihren Vereinen auf. Zwölf Mädchen springen über die Bühne, in schwarzen Leggings und weißen Blusen mit Krawatte, die Haare zu zwei Zöpfen geflochten. Sie trommeln mit Stäben auf Gymnastikbälle, machen Radschläge und Rollen, vollkommen synchron.
Ein Akrobatik-Duo vollführt Schrauben und Drehungen, der junge Mann wirbelt seine Partnerin durch die Luft und zeigt mit ihr Turnfiguren in perfekter Körperbeherrschung.
Etwa zwanzig Turner in rot-schwarzen Kostümen präsentieren auf Airtracks, speziellen Luftmatten, verschiedene Hebefiguren. Ihr Gesichtsausdruck bei der Vorbereitung der einzelnen Elemente ist konzentriert. Die Sportler halten kurz inne, dann heben sie ihren Kopf und strahlen ins Publikum.
Es sind etwa zehn Minuten Programm, eingestreut zwischen den Wortbeiträgen über einen Zeitraum von fast zwei Stunden. Die Aufführungen der Turner wirken fast etwas verloren – und fesseln das Publikum umso mehr. Ein paar Male brandet zwischendurch Applaus auf, Pfiffe gellen durch den Saal.
„Da hat man hingemusst von den Eltern“
Für die Turner ist der Sport mehr als nur ein Hobby – und gehört oft seit ihrer Kindheit dazu. Anna-Lena Seit ist im Verein, seit sie sechs Jahre alt ist. „Mein Bruder hat das immer zuhause gemacht und das fand ich cool“, sagt die heute 18-Jährige. „Der Verein ist wie eine Familie für mich. Wir halten uns und helfen uns gegenseitig.“
Günter Fleischhauer ist noch auf anderem Weg zum Turnen gekommen. 1946 hat er im Verein angefangen. „Das war bei mir wie bei allen Kindern damals: da hat man hingemusst von den Eltern“, sagt der Ehrenvorsitzende des Turngaus. Sein Onkel war Übungsleiter im Verein. Viele Alternativen gab es damals außerdem nicht. „Das war ja nach dem Krieg, da war alles kaputt.“ Spaß hat es dem heute 77-Jährigen trotzdem gemacht. „Wer klein, zierlich und ein bisschen aufgeweckt oder vorlaut war – so wie ich – der kam zum Turnen“, sagt er und schmunzelt.


