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SCHWEINFURT: „Wett-Schenken“ und andere Untugenden

SCHWEINFURT

„Wett-Schenken“ und andere Untugenden

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    Thomas Klinger (links) rezitierte im schummrig beleuchteten Schrotturmkeller Literarisches zum Thema Weihnachten.
    Thomas Klinger (links) rezitierte im schummrig beleuchteten Schrotturmkeller Literarisches zum Thema Weihnachten. Foto: FOTO Gabi Kriese

    Das Thema Weihnachten eignet sich hervorragend, um aus dem literarischen Allerlei vergangener Zeiten und aktueller Dichtkunst ein mit Leben erfülltes Bild zu stricken. Eine solche intellektuelle Inspiration, gepaart mit lukullischem und musikalischem Genuss, schenkte am Wochenende die Weihnachtslesung im gutgefüllten Schrotturmkeller sowohl den Zuhörern als auch den Akteuren: Hans Driesel, Kerstin und Thomas Klinger von der Hans-Sachs-Gruppe machten sich ihre Belesenheit zunutze und beleuchteten das „Fest der Feste“ im Spiegel der Literatur.

    Bei flackerndem Kerzenlicht erhellten sie den mit Glühwein und Gebäck versorgten Gästen die Facetten der Vor- und Nachweihnachtszeit sowie des Nikolaustags und des Heiligen Abends aus den Blickwinkeln klassischer, zeitgenössischer und auch lokal beheimateter Autoren. Heiteres, Nachdenkliches und Nachdenkenswertes zum Fest verknüpften sie mit deftig-charmanten Moderationen und gaben auch Gelegenheit zur Reflexion: „Nicht was, sondern wie man schenkt“, sei zu überlegen.

    „Zu viel“ wird geschlemmt, zu viel wird geschenkt – schon zu Zeiten Goethes. Zuviel Weihnachtsbeleuchtung in und an Häusern des 21. Jahrhunderts stand ebenso in der Kritik der Literaten. Angenehm bescheiden wirken im Vergleich dazu die Wünsche und Freuden vergangener Zeiten: Als der Anlass des Festes noch im Vordergrund stand, verurteilte auch Erich Kästner das „Wett-Schenken“.

    Gibt es die vielberufene Besinnlichkeit vielleicht nur noch in der Literatur, fragte Hans Driesel und zitierte Tucholsky, Rilke und Brecht. Da lag die Assoziation zu den Themen (Welt-)Frieden und Spendabilität nicht weit: 50 Prozent des Spendenaufkommens werde heute in der Vorweihnachtszeit verzeichnet – eine sehr moderne Form von Kriegs-, Armuts- und Elendsbekämpfung sowie von Gewissensberuhigung.

    Solch Sarkastisch-Kritisches könnte den Zauber der Weihnachtszeit fast entzaubern. Oder das spannend-ehrliche „Festerlebnis“ von Oskar Maria Graf. Angesichts des Todeskampfs seiner Großmutter macht er sich einzig um den von ihr wohlgehüteten Malzzucker Sorgen: eine Abrechnung mit den Untugenden Verlogenheit und Gier.

    Allerdings servierten die Rezitatoren auch die romantisch-verklärte Seite des Christfest-Themas. Die Worte von Erwin Strittmatter oder Johannes R. Becher umschmeichelten das schlichte Harmoniebedürfnis, während Heinz Erhardts gänsehautgeplagte „Weihnachtsgans“ auch die Lachmuskulatur zum Vibrieren brachte. Als Thomas Klinger auch noch Christi Geburt als journalistisch aufbereiteten Polizeibericht zum Besten gab, die jungfräuliche Wöchnerin Maria zum Psychiatriefall erklärte, die Hirten als „vollgekiffte Junkies“ und die drei Könige als „illegal im Land befindliche Ausländer“ deklarierte, war der Präsentkorb literarischer Leckereien üppigst bestückt.

    Zur besseren Verdauung der spannend und geschickt verzahnten Geschichten und Gedichte durchsetzte die wohltemperierte Musik des Duos „Irronymus Bock“ aus Würzburg den genussreichen Abend. Mit historischen Instrumenten wie Keltenharfe, Sackpfeife oder Drehleier brachten Ange Hauck und Akkordeonistin Christel West bedächtige Überleitungen in den Rezitationsablauf. Das finale „Amazing Grace“, das viele Anwesenden versöhnlich mitsummten, markierte einen fast schon wieder zu manierlichen Schlusspunkt unter aufwühlende 100 Minuten Literaturkontraste.

    Interessenten an einer eventuellen Zusatzvorstellung des Wilhelm-Busch-Abends „Ente gut, alles gut“ am 29. Dezember, 20 Uhr, können sich unter Tel. (0 97 22) 17 17 oder hansdriesel@t-online.de melden.

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