„Hier könnt ihr jetzt ohne Lautsprecher hören, was a Ur-Rafelder erlabt hat“, prophezeite Robert Gießübel den 70 Gästen im Innenhof der Familie Oster am Kirchplatz. Was eigentlich als ganz private Erzählstunde mit persönlicher Einladung geplant war, wurde plötzlich offiziell und die Besucher strömten in den lauschigen Innenhof.
Elfi und Guido Oster warfen immer wieder einen hoffnungsvollen Blick in den blauen Himmel, denn bei Regen wäre der Ausweichort „Scheune“ aus allen Nähten geplatzt. Doch Robert Gießübel hatte einen guten Draht zu Petrus und so kamen alle geladenen und ungeladenen Gäste in den Genuss seiner Lebens- und damit auch der Dorfgeschichte Grafenrheinfelds.
Ganz chronologisch begann der langjährige Bürgermeister mit seiner Geburt als viertes Kind seiner Eltern. „Nach mir is dann noch einer kumma“, gibt Gießübel Einblick in seine Familienchronik, die gleichzeitig die Geschichte seines Heimatortes widerspiegelt. Auch kleine Seitenhiebe auf die jetzige Gesellschaft fehlten dabei nicht. So sei sein kleiner Bruder schon als Baby im Kinderwagen mit in den Kindergarten gekommen. „Das geht ja heute auch wieder, nur da braucht man mehr Personal!“ Wenn der Bürgermeister i.R. Von den betreuenden Schwestern in Kindergarten und Schule erzählt, kommen Erinnerungen bei den älteren Zuhörern hoch und schnell entsteht ein Dialog. Schmunzeln erinnert sich Robert Gießübel an die Zeiten in kurzen Hosen, Leibla und den gestrickten Strümpfen. „Die haben gekratzt! Das kann man sich nicht vorstellen!“ Auch die Spitzbubenstreiche des kleinen Robert lässt er nicht unerwähnt. So blieb das Hexerlesspiel hinter dem Plumpsklo nicht unentdeckt vom Lehrer. Und auch für die Kappe des Freundes, die im Plumpsklo landete, musste der Rafelder Bub büßen. Inzwischen ist es dunkel geworden. Es ist eine gemütliche, persönliche Atmosphäre.
Nach jedem Lebensabschnitt macht Gießübel eine kleine Erzählpause und überlässt Manfred Bernhardt das Feld. Mit seinem Akkordeon spielt er die passenden Lieder und die Gäste singen das Frankenlied, das Kreuzberglied oder Wanderlieder. Der Bürgermeister lässt für einen Abend die Vergangenheit wieder aufleben. Der Alltag der Nachkriegsgeneration auf dem Dorf wird greifbar. Kinder, die nach der Schule in der Landwirtschaft selbstverständlich mitarbeiten und auf die kleinen Geschwister aufpassen, werden mit dem groß, was das Feld hergibt.
„Ich bin mit Grumbern großgeworden“, erinnert sich Gießübel an den großen Topf, der jeden Abend auf dem Tisch stand. Daneben wuchsen Kümmerles, Kraut, rote Beete und gelbe Rüben auf den Feldern der Grafenrheinfelder Gemarkung.
Den Abschluss bildet der „Hesselbacher Fenstersturz“, Gießübels ganz persönliche Geschichte, die seine Frau Rita an seine Seite geführt hat. Und wie so viele Geschichten endet auch die von Robert Gießübel mit einer Moral. Nach zwei Stunden erzählen und singen fordert das Grafenrheinfelder Urgestein seine Gäste auf: „So, und jetzt plaudert ihr miteinander und nicht übereinander!“