Vor einem großen Publikum sprach Professor Hubert Seggewiß, Chefarzt der medizinischen Klinik I im Leopoldina, im ersten seiner beiden Herzschwäche-Seminare über „Ursache, Erkennung und Folgeerkrankungen“. In Deutschland wird die Zahl der Patienten mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz) auf zwei Millionen geschätzt, jährlich werden etwa 300 000 neue Patienten deswegen in ein Krankenhaus eingeliefert, 50 000 sterben daran. Die gefährliche und tückische Herzschwäche wird oft nicht, oder erst spät erkannt, weil die Symptome fälschlicherweise als vorübergehende Schwäche oder normale Alterserscheinung gedeutet werden.
Seggewiß definiert Herzschwäche als die Unfähigkeit des Herzens, den Organismus ausreichend mit Blut und damit mit Sauerstoff zu versorgen. Man unterscheidet bei den Ursachen zunächst zwischen einer diastolischen Herzschwäche (Füllungsstörungen der Herzkammern auf Grund einer verminderten Dehnbarkeit) und einer systolischen Herzschwäche (Pumpschwäche des Herzmuskels).
Was der Patient zuerst bemerkt
In Abhängigkeit von den betroffenen Herzkammern wird außerdem zwischen einer Linksherzschwäche (Wasser in der Lunge) und einer Rechtsherzinsuffizienz (Wasser in den Beinen) unterschieden. Sind beide Herzkammern beeinträchtigt, spricht man von einer globalen Herzinsuffizienz, wobei zuerst das linke Herz versagt. Was merkt der Patient zuerst? Atemnot, schnelles Atmen bei Belastung (Treppensteigen), Abnahme der Leistungsfähigkeit, Schwitzen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwellungen an Knöcheln und Unterschenkeln (Wassereinlagerungen), rascher, unregelmäßiger Herzschlag, vermehrtes nächtliches Wasserlassen. Auch Brust- und Bauchschmerzen (Stauungsleber), Hervortreten der Halsvenen (Stauung) und blaue Lippen können wie eine Bewusstlosigkeit auf eine Herzschwäche hindeuten.
Schon diese Patientenangaben sind ein wichtiger Diagnostik-Schritt. Beim Ruhe-EKG erkennt der Arzt Rhythmus, Belastung, Minderdurchblutung. Beim Langzeit-EKG Rhythmus, Pausen, „Rasen“ und beim Belastungs-EKG Herzleistung und Herzrhythmus. Mit dem Herzultraschall können Kammergrößen, Wanddicken, Kammer- und Klappenfunktionen beurteilt werden. Bei der Herzkatheteruntersuchung werden die Kranzgefäße dargestellt, die Größe und Funktion der Herzkammern, die Druckverhältnisse in Gefäßen und Herzkammern. Röntgen, Kernspin und Laboruntersuchungen (Herzenzyme, BNP) ergänzen die Diagnostik.
Ursache Nummer 1 der Herzschwäche ist der Bluthochdruck, es folgen Herzkranzgefäß-Erkrankungen (Herzinfarkt oder Einengungen ohne Infarkt), Herzklappenerkrankungen mit oder ohne Entzündung (verengte oder undichte Klappen). Weitere Möglichkeiten sind Herzmuskelverdickung, erweiterte Herzhöhle, veränderte Herzmuskulatur, Herzmuskelentzündung, aber auch Alkoholmissbrauch, Medikamente. „Diclofenac (Voltaren) durch anderen Wirkstoff ersetzen“, rät Seggewiß. Daneben gibt es angeborene Herzfehler.
Ausführlich erläuterte Seggewiß die Ursachen und Zusammenhänge. So führt ein Bluthochdruck zur erhöhten Belastung der Herzkammern, dies zu einer Verdickung des Herzmuskels. Daraus resultiert eine erschwerte Kammerfüllung, ein Nachlassen der Pumpfunktion des Herzmuskels (systolische Insuffizienz). Die Zieldruckwerte sind in Ruhe unter 140/90, bei Risikopatienten, etwa Diabetikern, unter 130/80 und bei Patienten mit Nierenschädigung unter 125/75. Ursachen der Gefäßverengung bei der KHK sind Cholesterinerhöhung, Nikotinmissbrauch, Bluthochdruck, familiäre Belastung oder Diabetes. Beim Herzinfarkt zählt jede Minute, weil mit jeder Minute das unterversorgte Herzmuskelgewebe abstirbt. Sofort Notarzt-Rettungswagen, Tel. 112, alarmieren.
Gefährliche Entzündung
Herzklappenerkrankungen als Ursachen. Stenosen (Einengungen) verursachen eine eingeschränkte Öffnung der Herzklappe mit Behinderung des Blutflusses, eine Insuffizienz ist eine Schlussunfähigkeit der Herzklappe mit Rückfluss von Blut. Schließlich noch die Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien). Mit der hypotrophen Form bezeichnet man einen angeborenen verdickten Herzmuskel, von einer dilativen Kardiomyopathie spricht man bei einer vergrößerten Herzhöhle.
Die Myokarditis ist eine gefährliche Entzündung des Herzmuskels meist durch Viren und Bakterien, sie kann aber auch durch Drogen und Medikamente ausgelöst werden. Nach vorausgegangenem seelischem Stress kann es zum sogenannten „Broken heart“-Syndrom (Tako-Tsubo-Syndrom) kommen, reversibel, aber auch mit Komplikationen.
Das zweite Seminar über Herzschwäche findet am 6. November, 18 Uhr, im Konferenzraum 8. Stock des Leopoldina statt. Dann spricht Prof. Seggewiß über Therapie-Möglichkeiten: Allgemeinmaßnahmen, medikamentöse Behandlung, spezifische Katheterbehandlung oder Operation.