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SCHWEINFURT: Wie Studenten Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten wollen

SCHWEINFURT

Wie Studenten Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten wollen

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    Eine Ein-Euro-Schwimmweste soll Flüchtlingsleben retten: Professor Jean Meyer (rechts) mit dem Entwicklerteam der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt.
    Eine Ein-Euro-Schwimmweste soll Flüchtlingsleben retten: Professor Jean Meyer (rechts) mit dem Entwicklerteam der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Foto: Foto: Uwe Eichler

    Das „Wir“ gewinnt: An der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt funktioniert die internationale Gemeinschaft im Kampf gegen das anonyme Massensterben von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer. „We Jacket“ nennt sich die Konstruktion von Nicolas Ustar (Argentinien), Nor Adli Hakim Bin Zakaria (Malaysia), Vladyslav Borysenko (Ukraine), Marc Chapman (Kanada), Eslam Hasaneen (Ägypten) sowie Dorothea Moquete (als Schweinfurterin mit familiären Verbindungen in die Dominikanische Republik). An der Hochschule für angewandte Wissenschaften wurde das Ergebnis ihrer Teamarbeit bereits einer Jury vorgeführt. Die „Ein-Euro-Rettungsweste“ soll nun mit Hilfe der UN Bootsflüchtlingen zur Verfügung gestellt werden. „International Business and Engineering“ nennt sich der Studienzweig, wo Deutsch und Englisch gesprochen wird.

    Der Plan: Stückzahl von einer Million

    Dass die – vom globalen Wir-Gefühl inspirierte – Rettungsweste technisch recht anspruchslos daherkommt, ist gerade der Clou. Durch den niedrigen Preis soll sich der Masseneinsatz rechnen. „Wir denken an eine Stückzahl von einer Million“, sagt Professor Jean Meyer, der das Projekt ein Semester lang betreut hat. An eine Provision für die FHWS ist nicht gedacht, betont der Experte für Maschinenbau. Es geht bei dem einen Euro um den reinen Selbstkostenpreis.

    Kosten noch bei 1,26 Euro pro Stück

    „Streng genommen sind wir gerade bei 1,26 Euro“, sagt Meyer, „vielleicht können wir das noch um ein paar Cent drücken.“ Auch der Test im Schwimmbad oder Baggersee steht noch aus. Derzeit ist es nur ein Prototyp, den die angehenden Wirtschaftsingenieure promoten. Das „We Jacket“ erinnert an eine einfache Variante der berühmten Flugzeug-Schwimmweste: Der Schwimmkragen besteht aus schlichtem, orangefarbenen Kunststoff, der zu Demonstrationszwecken mit Watte ausgestopft worden ist, sowie Gurt-Bändern. Zusammengenäht hat diese Teile Dorothea Moquete, geholfen hat dabei ihre Mutter. Mit einer kleinen Pfeife kann der Schiffbrüchige im Wasser auf sich aufmerksam machen.

    Flüchtlinge sitzen auf dem Mittelmeer in einem sinkenden Schlauchboot. Die wenigsten tragen eine Rettungsweste. Studenten der FHWS wollen das ändern. Sie haben die „Ein-Euro-Rettungsweste“ entwickelt. Ziel ist es, eine Million Westen an Flüchtlinge im Mittelmeerraum zu verteilen. Bei dem Foto handelt es sich um eine undatierte Aufnahme im Gewässer vor der Insel Lampedusa.
    Flüchtlinge sitzen auf dem Mittelmeer in einem sinkenden Schlauchboot. Die wenigsten tragen eine Rettungsweste. Studenten der FHWS wollen das ändern. Sie haben die „Ein-Euro-Rettungsweste“ entwickelt. Ziel ist es, eine Million Westen an Flüchtlinge im Mittelmeerraum zu verteilen. Bei dem Foto handelt es sich um eine undatierte Aufnahme im Gewässer vor der Insel Lampedusa. Foto: Foto: Ong Sos Mediterranee/dpa

    Im Ernstfall pumpt sich die Weste automatisch auf

    Aufgeblasen wird das „We Jacket“ im Notfall mit 33 Gramm CO2 aus einer kleinen Gaskartusche: „Vom asiatischen Markt, sonst wäre es nicht so billig geworden“, sagt Jean Meyer. Die kniffligste Technik steckt im Auslösemechanismus: Der Prototyp wurde im 3D-Drucker der FH hergestellt. Für die Massenproduktion ist ein preisgünstiges Spritzgussverfahren gefragt. Im Inneren des kleinen Kastens würde sich im Ernstfall eine Tablette befinden, aus Zellstoff oder anderem schnell wasserlöslichem Material. Wird die Weste komplett von Wellen überspült, löst sich die Chemikalie auf und entsperrt die kleine „Sprühdose“ voller Kohlendioxid: Die Weste pumpt sich automatisch auf. „Durch Spritzwasser, Erschütterungen oder Nebel soll sich die Weste natürlich nicht aktivieren“, so Professor Meyer, der aus Eckernförde stammt.

    „Mit Wasser habe ich es eigentlich nicht so“, sagt Meyer. Trotzdem oder gerade deswegen will er sich für die Ärmsten der Armen einsetzen, die tausendfach vor den Küsten Europas ertrinken: Entweder, weil sie auf den überladenen Seelenverkäufern überhaupt keine Rettungsmittel dabei haben. Oder weil ihnen von den Schleusern für viel Geld schlechte Qualität angedreht wird. Bis zu hundert Euro kostet eine reguläre Schwimmweste.

    Professor Meyer: „Es geht um Menschenleben“

    Dem Studententeam war es wichtig, dass ihre Konstruktion leicht zu transportieren ist und auch auf einem Boot nicht zu sehr ins Gewicht fällt. Den Vorwurf, ein solches Projekt begünstige Schlepper und Massenmigration, möchte er nicht gelten lassen: „Es geht um Menschenleben.“ Jedem verletzten Motorradfahrer würde geholfen, selbst wenn er vorher ohne Helm 200 Stundenkilometer schnell gerast sei. Drogensüchtige erhielten öffentliche Räume und Ersatzstoffe für ihren Konsum, um das Gesundheits-Risiko zu minimieren. Warum also Kriegs- und Armutsflüchtlinge nicht wenigstens vor dem Ertrinken schützen?

    Vertrieb über Automaten?

    Die Namensidee mit dem „Wir-Jacket“ hatte Student Eslam Hasaneen aus Kairo, der sowohl Deutsch als auch Englisch spricht. Der junge Ägypter will sich unter anderem an die Fernsehmoderatorin Mona el-Shazly wenden, am Nil bekannt für die Fernsehshow Al Ashira Masa'an („Zehn Uhr”), um das Projekt in der Region bekannt zu machen. Den Vertrieb stellt sich Hasaneen derzeit so vor: „Eine Idee ist es, die Rettungswesten kostenlos oder zu einem geringen Preis über Automaten in jenen Regionen abzugeben, die von der UN oder anderen Hilfsorganisationen kontrolliert werden. Das ist aber noch in der Diskussion.“

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