Für Roland Maul von der Handwerkskammer ist Dimitri Deifel „schönes Beispiel einer gesellschaftlichen Integration“. Der im damals noch russischen Kirgistan geborene 41-Jährige kam 1991 als Spätaussiedler nach Deutschland. Heute leitet er als Meister mit seiner Frau Natalie ein kleines Elektrounternehmen, das auch ausbildet. Die beiden Lehrlinge sind außergewöhnlich, sind Familienväter, 32 und 37 Jahre alt, und stammen aus Russland. Deifel gibt ihnen eine Chance.
Engagement im Projekt „Migranten helfen Migranten“
Aktuell engagiert sich der Elektro-Meister außerdem im Projekt „Migranten helfen Migranten“. Engagierte Migranten aus Schweinfurt werden zur Zeit in einer 50-stündigen Schulung zu muttersprachlichen Bildungslotsen ausgebildet. Am 10. November bringen Vertreter von Arbeitsamt, Handwerkskammer und IHK den Lotsen Zukunftsberufe näher. Dimitri Deifel wird dabei als „Best Practice-Beispiel“ seine Geschichte erzählen, „als Mutmacher“, sagt Maul. Dieser Zeitung erzählte der Elektromeister seine Erfolgsstory schon jetzt.
Mit 16 Jahren kommt er mit Mutter Elisabeth, Vater Otto und seinen zwei jüngeren Geschwistern in Deutschland an. Erste Station ist Mellrichstadt. Dimitri kann ein wenig deutsch, kniet sich rein, schafft den Quali. Beim Arbeitsamt erfährt der junge Mann von den vergleichsweise guten Chancen im Elektrohandwerk. Das passt ihm. Eines seiner Hobbies ist bis dahin, ausrangierte Radiogeräte flott zu kriegen.
Die Lehrzeit in Werneck nennt er einen Glücksfall
Er schreibt 70 Bewerbungen. Dass nur fünf antworten, steckt er weg. Seine Entscheidung für die Elektrofirma von Wolfgang Baucke in Werneck nennt er sein Glück. Die Mutter des Chefs vermietet ihm sogar ein möbliertes Zimmer. Das Interview mit der Redaktion nutzt er, um „einfach mal Dankeschön“ zu sagen.
Nach der Lehrzeit 1996 bleibt er mit Bundeswehrunterbrechung bis 2000 bei Baucke, wechselt zu Elektro Fleischmann (Schweinfurt), um sich in Sachen Sicherheitstechnik weiterzubilden. Den Meister zu machen, hat er da schon im Kopf.
Die ersten beiden der vier Module mit Prüfung der praktischen und fachtheoretischen Kenntnisse macht er berufsbegleitend – Mittwochabends, samstags, am Sonntag wird gepaukt. „Da bin ich oft auf meinem Stuhl eingeschlafen“, erinnert er heute mit einem Lachen an diese „schwere Zeit“. Für Teil 3 und 4 der Meisterprüfung kündigt er den Job, konzentriert sich auf die ihm bis dahin noch fremden betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen, rechtlichen und arbeitspädagogischen Inhalte.
Ein Pappenstil ist eine Meisterprüfung nicht
„Ich habe mich durchgebissen“, sagt er und erinnert hier auch an die finanzielle Belastung. Er erhält zwar 5000 Euro Förderung (Meister-Bafög), muss aber 12 000 Euro selbst finanzieren. Dimitri Deifel besteht, wagt den Schritt in die Selbstständigkeit aber noch nicht, wenngleich der Gedanke daran fester Begleiter wird. Einen neuen Arbeitsplatz findet er bei der Firma Galeria Kaufhof im Facility Management.
Den „letzten Schub“ zur eigenen Firma geben ihm der Vater und seine Frau Natalie. Sie lernten sich auf der Berufsschule kennen, sind seit 1995 verheiratet. 2007 wird die Firma Deifel gegründet. Das Arbeitsamt akzeptiert das vorgelegte Konzept, hilft mit einer Anschubfinanzierung. Von der Mietwohnung am Deutschhof Schweinfurt wechselt die Familie ins neu gekaufte Haus nach Waigolshausen, die ab sofort auch Firmensitz ist. Natalie Deifel ist gelernte Kauffrau, ihr Mann der Handwerker, die Idealbesetzung.
Den Schritt in die Selbstständigkeit haben die Eheleute nie bereut
„Das erste Jahr war wie eine Rosenwolke“, schildert der Elektromeister und dankt hier Branchenkollegen wie Elektro Scheublein oder Zierhut für den einen oder anderen „zugeschusterten“ Auftrag. In den allgemein schwierigen Krisenjahren von 2009 bis 2012 war es auch für die Deifels nicht leicht. Danach lief es.
„Man macht sich einen Namen“, sagt er. Standbein sind die regelmäßigen Aufträge von Firmen wie Auto und Rad Schauer, Maschinenfabrik SMS Schonungen oder Rolladen Hartmann. Vielmals sind private Häuslebauer die Kunden.
Wegen der guten Auftragslage spricht er 2013 beim Ausbildungsberater Roland Maul vor: Dimitri Deifel will ausbilden. Es findet der obligate Vororttermin statt, Maul und Co. haben zu prüfen („eine staatliche Aufgabe“), ob die Firma „nach Art und Einrichtung geeignet ist“. Sie ist es. Deifel erhält 2014 die so genannte Ausbildungsberechtigung und stellt sofort den ersten Lehrling ein, seit heuer sind es zwei. Deifel will – wegen der Auftraglage – beide nach der Lehrzeit übernehmen. Er wird auch danach ausbilden und denkt schon jetzt daran, den Fuhrpark um ein drittes Fahrzeug zu vergrößern.
Das Handwerk bietet unabhängig von der Herkunft eine Chance
Dass das Handwerk Menschen der verschiedensten Herkunft eine Chance bietet, zeigt die Vielfalt der Nationalitäten der aktuellen Lehrlinge, berichtet Maul. Unter den zum 1. September 2016 neu angestellten Azubis im unterfränkischen Handwerk finden sich 162 junge Menschen aus 44 Ländern. Übrigens: „Auch jetzt sind noch Bewerbungen um eine Lehrstelle möglich“.
Das Schlusswort gehört Dimitri Deifel: „Ich bin zufrieden“, sagt der Vater von drei Kindern. Sie sind zwölf, acht und vier Jahre alt und fühlen sich genauso wohl im Dorf wie der Papa, der sagt: „Ich bin ein stolzer Waigolshäuser“. Dann muss noch diesen Mutmachersatz los werden: „Für alle, die hier herkommen, ist wichtig: Nicht aufgeben“.