Es gibt einen Lieblingsleseort der Schweinfurter Autorengruppe SAG: in Wipfeld unterm Nußbaum. Vielleicht kamen deshalb heuer alle Autorinnen und Autoren der Gruppe zur jährlichen Lesung hinters Literaturhaus, und sie brachten Janet Rawling mit, die Frau am Piano, die mit "melancholisch-heiter-witzigem Blues", so Moderatorin Johanna Bonengel, die literarischen Beiträge untermalte.
Corona-Blues hieß denn auch die thematische Lesung, und alle Vortragenden hatten etwas zu diesen Pandemiezeiten dabei. Zum Beispiel Anita Tschirwitz, die mit ihren lautmalerischen Gedichten immer wieder zwischendurch für Überraschungen sorgte. Denn selten wird so konsonanten- und coronagenau mit der Sprache gespielt wie hier.
Günter Hein trug eine Kurzgeschichte vor: Es ist nie zu spät. Es geht es um die Lourdes-Reise von Oma Agnes zu Corona-Zeiten, mit einem überraschenden Ende und der Erkenntnis: "Man kann auch krank werden vom Weihwasser." Joachim Engel ließ seinen Polizisten Sebber reizvoll im Dialekt über Corona-Haftbedingungen sprechen, "wenn die Ehe zum bladonischen Albdraum werd". Hanns-Peter Zwisler erzählte in "Meine befristete Isolation" von Enkel-Trickbetrügern, die ziemlich tief in die "Sch…" gelangt haben dürften. Anika Peter trug zusammen mit Peter Hub und Bonengel ein Minidrama "Die Hose" vor, die unter den coronabedingten Home-office-Zeiten für komische Situationen sorgte.
Poetische Reise durch die Welt
Renate Eckerts Kurztext handelte von Altenpflegerin Alma, die ihre "Späte Liebe" findet. Linde Unrein trug ihre vier Gedichte "elegie von unterwegs" vor. Die Musikalität ihrer Sprache versetze auch die Zuhörenden "traumwärts verortet" in jenen Zwischenbereich der Seele, in der Literatur wirksam werden kann. Manfred Manger, der Poet des Sprechgesangs, nahm das Publikum mit auf eine Reise durch die Welt und durch die Kindheit: "Die Welt ist klein" und "je weiter ich reise, komme ich bei mir an". Es geht zurück in die Kindheit, und nebenbei gelingt eine Kritik des Reisens, die die ganze Lebensreise mit einbezieht und auch das deutsche Zuhause in einen Ort des Reisens verwandelt.
Peter Hub rezitierte ein Gedicht aus dem Schweizer Magazin Der Nebelspalter von 1920, in dem es um die Spanische Grippe ging, an der 50 Millionen Menschen starben. Darüber hinaus gab es verblüffende Parallelen zu Corona heute, zum Verhältnis von Volk und Politik zwischen Freiheit und Verboten: "Die Menschensippe bleibt sich gleich."
"Wie schön wäre es doch, wenn wir diesen Begriff wieder auf ein Fläschchen Bier herunterschrauben könnten", meinte Bonengel und verwies auf den 26. November, an dem endlich der 26. Geburtstag der Autorengruppe gefeiert werden soll. Eine solche Langlebigkeit liege in der Vielfältigkeit der Stimmen begründet und im Anspruch auf literarische Qualität. Quod erat demonstrandum, wie es so schön heißt!