Fast ihr ganzes Arbeitsleben haben sie bei der US Army verbracht: Lehre abgeschlossen, bei der Army angefangen, jahrzehntelang dort gearbeitet und dann die Schließung des Militärstandorts erlebt. So sieht bei den meisten der 500 ehemaligen US-Zivilbeschäftigten am Standort Schweinfurt die Biografie aus. Ein beruflicher Neubeginn ist da nicht einfach.
Nicht alle 500, sondern nur 328 ehemalige US-Zivilbeschäftigte traten im Oktober 2014, einige wenige zum Januar 2015, für maximal ein halbes Jahr in die Refugio-Transfergesellschaft ein. Diese Gesellschaft mit Sitz in Plochingen, die bei allen Standortschließungen in Deutschland den Zuschlag erhalten hat, soll die Betroffenen fit für den deutschen Arbeitsmarkt machen. 106 Personen wurden bereits vermittelt, drei davon sind bei der Stadt Schweinfurt untergekommen, zwei in Landkreisgemeinden. Aktuell sind 151 Männer und 71 Frauen bei der Gesellschaft angestellt.
Finanziert wird diese über das Transferkurzarbeitergeld der Agentur für Arbeit. Die Refugio-Arbeitnehmer erhalten zu den 67 Prozent des letzten Bruttogehalts zudem eine Aufstockung auf 80 Prozent. Ein 1971 geschlossener Tarifvertrag, der sogenannte TaSS (Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) sichert die Ex-Zivilbeschäftigten finanziell ab, auch während der Arbeitslosigkeit, die für die meisten ab April, für wenige ab Juli beginnt. Das im Kalten Krieg vereinbarte Papier ermöglicht zudem, je nach Lebensalter und Dauer der Beschäftigung bei der Army, eine ungefähre Einkommensgleichstellung im neuen Job mit dem früheren US-Verdienst. Denn die Army war ein gut zahlender Arbeitgeber.
Im Gochsheimer Industriegebiet hat die Refugio seit Oktober Räume angemietet, in denen die früheren Army-Beschäftigten „Hilfe zur Selbsthilfe“ erfahren, wie es Projektleiter Till Kirsten ausdrückt. Sie erhalten dort nicht nur Bewerbungstraining, PC-Schulungen oder Stellenangebote, sie werden auch „aufgefangen“ und motiviert, sich aktiv um ihre Zukunft zu kümmern. Stärken und Schwächen werden analysiert, ein selbstbewusstes Auftreten gefördert, um die Verunsicherung zu überwinden.
Denn eine Erfahrung gerade der Älteren ist, dass sie zwar gute Kenntnisse haben, dass sie auch „jemand waren“ bei der Army, wie Kirsten sagt, dass es aber dafür meist keinen schriftlichen Nachweis gibt und dass die Kenntnisse speziell auf amerikanische Verhältnisse zugeschnitten sind.
Der 58-jährige Wolfgang Jäger beispielsweise hat als gelernter Kaufmann 39 Jahre lang bei der US-Army gearbeitet, zuletzt in der Wohnungsvermittlung als „Housing management assistant“. Benutzt hat er dabei armee-spezifische EDV-Programme. In seinem ursprünglich erlernten Beruf ist er für den deutschen Arbeitsmarkt offenbar ungeeignet. „Ich werde wohl irgendwo als Helfer anfangen.“ Zehn Bewerbungen hat er geschrieben, zwei Absagen erhalten und von den anderen gar nichts gehört. „Was ich kann, interessiert nicht“, konstatiert Jäger. Aber aufgeben will er nicht. „Der Markt gibt es einfach nicht her.“ Das weiß der 58-Jährige. Die Schweinfurter Großbetriebe bräuchten qualifizierte Fachkräfte, bestätigt Kirsten. Aber kleine und mittlere Unternehmen böten Chancen, auch durchs Ausprobieren in Praktikumsplätzen, vielleicht auch in ganz anderen Branchen, als Alltagsbetreuer etwa.
Problematisch ist das Alter vieler Ex-US-Beschäftigten, das im Schnitt bei 55,5 Jahren liegt. „Bis Ende 50 kann ein Arbeitgeber noch sieben, acht Jahre mit ihm planen“, erläutert der Refugio-Projektleiter. Aber bei einem 62-jährigen könne er das nicht. Eine Alternative könne da ein Personaldienstleister sein, ergänzt Personalberaterin Birgit Gebhardt. Dort spiele das Alter keine Rolle.
Letzteres fehlt bislang dem 62-jährigen Hugo Ennemoser. Fast 44 Jahre hat der gelernte Installateur im Wasserwerk der Conn Barracks gearbeitet. Deutsche Fortbildungen hat er gemacht, den Meister, kennt sich mit Steuerungstechnik und Computern aus. Aber bislang erhielt er nur Absagen, ohne Begründung. Trotz seines rentennahen Alters will er noch nicht zuhause sitzen. „Erfahrung wird nicht gewürdigt“, urteilt er. Und: „Man wacht auf“, gerade angesichts von Arbeitgebern, die bei der Rente mit 63 jammern, sie könnten auf die Älteren nicht verzichten. Aber wenn man als Arbeitnehmer altersmäßig kurz davor stehe, bekomme man keine Chance.
Positive Erfahrungen hat dagegen Claudia Landauer gemacht. Die 51-Jährige arbeitete als Verwaltungsangestellte über 30 Jahre für die Army, zuletzt in der Nebenkostenabrechnung für die Liegenschaften, mit einem Buchhaltungssystem auf SAP-Basis und Microsoft-Programmen. Das Bewerbungstraining bei Refugio hätte ihr viel gebracht, unterstreicht die zurückhaltende Frau. Ihre Qualifikation beeindruckte das Landesamt für Statistik: Dort wird sie im April neu beginnen. Unter über 200 Bewerbern erhielt sie die Zusage.
Büroberufe seien grundsätzlich schwieriger zu vermitteln, ergänzt Kirsten. Dennoch ist auch die 56-jährige Jutta Hautke optimistisch. 33 Jahre in der Standort-Finanzverwaltung mit gängigen Computerprogrammen hat sie vorzuweisen. Auf ihre 15 Bewerbungen stehen noch etliche Antworten aus. Zwar hat sie bei einem Bewerbungsgespräch gesehen, dass die Konkurrentinnen viel jünger seien. Aber dennoch denkt sie positiv: „Wo eine Tür zugeht, geht auch wieder eine auf.“