In der Stadt der Schlachtschüssel fand nun zum 60. Mal eine Dichterschlacht statt, ein Poetry-Slam, bei dem es zwar "nur" ein kleines Plüschferkel zu gewinnen gab, die fleischlichen Themen jedoch durchaus eine Rolle spielten. Moderator Manfred Manger versprach, dass trotz des Wintereinbruchs dem Publikum bei den erlesenen Texten wenigstens warm ums Herz werden würde.
Zum Saisonauftakt trugen Sven Timpe, Marina Sigl, Lena Stokoff, Julia Zimmermann und Hank M. Flemming ihre Texte streng nach den Slam-Regeln vor und sie sorgten durchaus für Überraschungen.
Manger selbst übernahm zur Einstimmung die Rolle des Opferlammes, indem er ohne Wertung einen eigenen Text präsentierte. Er erzählte von einer Zeit, in der "ausgeblasene Kerzen noch Wünsche bekamen", von Italien, "als gelati für 50 Lire die wundgeküssten Lippen kühlte" und von dem, was geschehen kann, wenn einer sein Zuhause in Form eines Rucksacks auf dem Rücken trägt.
Sex und Geld schienen sich dann als Themen des Abends herauszukristallisieren. Sven Timpe aus Frankfurt/Main überraschte mit der einfachen Frage: "Wie viel Geld habt ihr denn so?" und sorgte für Gelächter, das aber durchaus Potenzial hatte, auch im Hals stecken bleiben zu können. Marina Sigl aus Konstanz brachte poetisch die Armut auf die Bühne und die Sehnsucht nach dem Reisen, wenn nicht Corona, sondern die Herkunft aus einer Arbeiterfamilie das Kennenlernen anderer Länder verhindert. "Ich will durch große Städte gehen", sprach sie und davon, wie es ist, für Mindestlohn zu lächeln, Tische zu wischen und Pfennige zu zählen.
Geld im Mittelpunkt
Lena Stokoff aus Tübingen slamt seit 2017 und stellte mit "Vier Fragmente Ausbeutung" ebenfalls das Thema Geld in den Mittelpunkt. "Hat hier schon mal jemand gearbeitet?" fragte sie und erzählte von jugendlichem Schneeschippen im Rahmen der Nachbarschaftshilfe, von Zeiten, in denen es noch viel Schnee gab, "manchmal seh' ich meine Eltern tagelang nicht." Julia Zimmermann, ebenfalls aus Frankfurt/Main, trug ihren Text unter der Überschrift "Romantikscheiße" vor, durchaus witzig erzählte sie davon, dass "Liebe einfach kein Teil von mir war" und dass jedoch mit ihrem Coming out als lesbische Frau auch "Schatz und Blumen" und all die romantischen Gedanken kamen. Also doch.
Hank M. Flemming aus Tübingen, der nach eigenen Worten schon seit seinem fünften Lebensjahr schreibt und ein "alter Hase" der Slam-Szene ist, fragte unter dem skurrilen Titel "Säugling im Darm" nach Wahrheiten und Falschheiten, erzeugte viel Gelächter dabei und spielte sich wie erwartet ins Finale. Dort fragte Timpe weniger als poetische denn als persönliche Reflexion nach hetero- und homosexuellen Lebensbedingungen, Sigl rappte durchaus witzig über das Studium der Chemie als der Lehre von den kleinsten Teilchen und Flemming erlangte mit seinem Text "Ich lauf" die Siegerschüssel mit dem plüschigen Schwein. "Mein Weg beginnt in einem Land, das nicht mehr existiert", in einem "Erzgebirge, voll mit schlecht gelaunten Rechten", in dem "die eigenen Träume verrostet" sind und er führt dazu, "das Alphabet zu zerfetzen auf der Suche nach einem Platz im Leben." So oder so: das war gelungen.
Der nächste Slam wird am Donnerstag, 1. September als Open Air-Veranstaltung stattfinden. Das Motto, so Manger: "Krieg und Frieden".