Die Einsatzfahrzeuge der Schweinfurter Feuerwehr standen vor dem Haupteingang des Leopoldina-Krankenhauses. Die Männer des Einsatzzuges saßen im Konferenzraum im achten Obergeschoss – bis ein Alarm sie zu den Jacken und Helmen greifen und die Feuerwehr ausrücken ließ.
Nach der Pause beim siebten interdisziplinären Traumasymposium im „Leo“ waren die Leute von der Wehr wieder im Vortragssaal, – um gleich nach Ende der Fortbildung erneut Sirene und Blaulicht einzuschalten. Gerufen wurden sie diesmal zum Friederike-Schäfer-Heim, einmal mehr ein Fehlalarm.
Die Veranstalter des Symposiums – die Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie sowie die Operative Intensivmedizin samt Anästhesie – hatten zum Thema „Technische Rettung eingeklemmter und kontaminierter Patienten“ mit Feuerwehr- und Polizeiarzt Dr. Klaus Friedrich (Nürnberg), dem Sachgebietsleiter Technische Rettung der Berufsfeuerwehr Nürnberg, Axel Topp, und Detlef Cwojdzinski von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales kompetente Referenten gewonnen.
Entsprechend gut war der Raum besetzt. Über 100 Feuerwehrleute, medizinisches Personal, Rettungssanitäter und Ärzte begrüßte Chefarzt Dr. Matthias Blanke. Dieser sprach die gebotene schnelle Behandlung der Patienten in der Notfallmedizin an, die sich bei einer zunächst technischen Rettung nicht über Gebühr verzögern dürfe.
An Komplexität sei ein solcher Vorfall nicht zu überbieten, meinte Klaus Friedrich, der mit dem Hinweis auf den Stress für die Retter, die allgemein hohe Leistungserwartung am Unfallort und auf das nötige Detailwissen an die Situation vor Ort und auf die Notwendigkeit der perfekten Zusammenarbeit zwischen Feuerwehren, Polizei, Rettungspersonal und Ärzten verwies. „Setzen sie sich zusammen, erarbeiten sie Konzepte, nicht erst beim Einsatz, sondern davor“, meinte der Referent.
Zwölf Verkehrstote am Tag in Deutschland und drei Millionen von der deutschen Polizei registrierte Verkehrsunfälle im Jahr seien die Herausforderung, der sich die Rettung zu stellen habe. Einer von drei Ansatzpunkten sei dabei die Fahrzeugtechnik, auf die nur die Hersteller direkten Einfluss hätten. Die Feuerwehr bräuchte für die technische Rettung mehr Einblicke in die Fahrzeugtechnik, mehr Wissen über die verbauten Materialien und über geeignetes Werkzeug.
Die ADAC-Rettungskarte, die hinter der Sonnenblende über dem Fahrersitz anzubringen sei, oder eine Autotypenerkennung über die Kfz-Kennzeichen könnten die Einsätze verkürzen, so Friedrich.
Oft nicht ausreichend aktuell seien die Rettungstechniken der Feuerwehren, auch weil sie an veralteten Modellen üben müssten. Statt bei der anvisierten Eintreffzeit von 60 Minuten (ab Alarmierung bis Übergabe des Patienten im Krankenhaus) liege diese in Deutschland bei durchschnittlich 72 Minuten. Hand in Hand müssten die Absicherung der Unfallstelle, das Herrichten der Unfallstelle samt Beseitigung von Hindernissen für eine perfekte Rettung und der Brandschutz realisiert werden. Kommunikationsprobleme dürfe es nicht geben, zwischen Feuerwehr und Medizin sei abzusprechen, wer das Sagen habe.
Wichtig: Fertige Konzepte
Die Richtung gebe der Mediziner vor, der klar machen müsse, was er will. Sei erst einmal ein Primärversorger beim eingeklemmten Patienten, dann müsse dieser den Ton angeben.
Noch besser könnten Autohersteller, Rettungsdienste und Medizin werden, meinte Axel Topp. Die Feuerwehren müssten über eingesetzte Klimaschutzmittel, Gefahren durch Batterien und Antriebe (E-Mobilität, Hybrid oder auch Flüssiggas) informiert sein. Auch Topp plädierte für fertige Konzepte, die die Zusammenarbeit am Einsatzort stark erleichtern würden, und für klare Regeln in einer Kommunikation, die für alle Beteiligten gleich verständlich sein müsse. Zu erreichen sei der perfekte Einsatz nur auf einem Weg: üben, üben und nochmals üben.
Zum Punkt Dekontamination am Krankenhaus erinnerte Detlef Cwojdzinski an den Sarin-Giftgasanschlag in Tokio vor 20 Jahren. Damals wurden bis zu 6000 Personen kontaminiert („beschmutzt“), 3200 Menschen suchten ein Krankenhaus auf, 493 Frauen und Männer wurden stationär behandelt. Unter den kontaminierten Personen waren auch 550 Mitglieder der Rettungsdienste.
Der Berliner Katastrophenschutz kann heute in bis zu einer Stunde Dekontaminationsstellen aufbauen. In den 39 Krankenhäusern wird regelmäßig geübt, drei Schwerpunktkrankenhäuser sind für den Notfall eingerichtet, informierte der Referent.
Bei der Erstversorgung setzt Berlin auf einfache Mittel, etwa auf Duschen (mit dem Gartenschlauch), auf Entfernung der kontaminierten Kleidung und auf Ableitung der verschmutzten Abwässer in den Kanal. Über Ganzkörperschutzkleidung verfügen nur die drei Schwerpunktkrankenhäuser. Priorität im Krankenhaus hat der Schutz des Personals vor dem Gebäudeschutz und vor der Behandlung von kontaminierten Patienten.
Hausaufgaben
In einem Schlusswort fasste Prof. Dr. Hauke Rensing (Anästhesie und operative Intensivmedizin am „Leo“) die für ihn wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Nicht zu kurz dürfe der Eigenschutz der Retter kommen. Fehler bei der Kommunikation seien auszumerzen. Standards seien zu erarbeiten und der Einsatz gemeinsam zu üben.