Im Juni 2012 hat die Stadt das Projekt „Wohnen und Arbeiten auf der neuen Mainlände“ der Grafenrheinfelder hjp-Architekten genehmigt. Im früheren Hauptzollamt sollten neben Büros noch mehrere Loftwohnungen sowie rechts und links des Gebäudes je vier Stadthäuser neu entstehen. Der zeitnah geplante Baubeginn verzögerte sich aber wegen einer Klage der Cramer-Mühle gegen das Vorhaben.
Nun wird seit geraumer Zeit aber zumindest im ehemaligen Zollgebäude kräftig gewerkelt. Der Grund ist ein bemerkenswerter und könnte unter Slogan „back to the roots“ laufen: Das Hauptzollamt zieht nämlich – mit einer neuen Arbeitseinheit – wieder in das Gebäude ein. Dieses Mal allerdings als Mieter.
Dazu muss man wissen: Zum 1. Juli 2014 wird die Kraftfahrzeugsteuer nicht mehr von den Landesbehörden, sondern vom Bund erhoben. Statt des bayerischen Finanzamts sind also künftig die Hauptzollämter als Teil der Bundesfinanzverwaltung für Festsetzung, Verwaltung und Vollstreckung der Steuer für bundesweit 58 Millionen Kfz zuständig.
Das Hauptzollamt Schweinfurt übernimmt die Festsetzung der Kfz-Steuer für Unterfranken und weite Teile Oberfrankens. Die gute Nachricht für die Bürger: Für sie ändert sich nichts. Auch die Steuernummern bleiben bestehen. Auch wer sein Auto an- oder abmeldet, erledigt das wie bisher bei den lokalen Zulassungsstellen.
Die neue Dienststelle des Hauptzollamtes umfasst 30 zusätzliche Stellen. Diese konnten großteils durch Personalübernahmen von Bundeswehr, Post und Bahn sowie der Telekom AG besetzt werden, teilt die Behörde mit. Sie bestätigte auch die alte Adresse Am Zollhof 1 als neuen Dienstort.
In Schweinfurt wird es schon am 1. April losgehen, was auch die Aktivität im und am Gebäude erklärt. Bis 31. März müssen die Umbauarbeiten beendet sein, bestätigte für die hjp-Architekten als Eigentümer der Immobilie Professor Jürgen Hauck.
Neben dieser nun wieder gewerblichen Nutzung ist der Bau der Stadthäuser darüber hinaus „weiterhin geplant“. Ein Baustart könnte „umgehend erfolgen“, man warte aber noch die gerichtliche Entscheidung ab, sagte Hauck auf Anfrage.
Dazu muss man wissen: Die Stadt hatte das hjp-Projekt mit der Begründung genehmigt, dass die neuen Häuser und die geplante Neunutzung des früheren Zollamtsgebäudes zwar keinem Gebietstyp der Bauordnung genau entspreche, sich aber in die Umgebung der Mainlände einfüge, also zulässig sei.
Die Cramer-Mühle war anderer Meinung, klagte und argumentierte, die Maininsel mit ihrer Betriebsstätte darauf (seit 200 Jahren) und die gegenüberliegende Mainseite bildeten „einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ mit den Merkmalen eines Gewerbegebiets, in dem eine Wohnbebauung eben „nicht zulässig“ sei.
Das Verwaltungsgericht Würzburg wies allerdings die drei baurechtlichen Klagen der Cramer-Mühle gegen die Stadt – wie berichtet – mit Urteilen vom Juli 2013 ab; in der vierten Klage, in der es im Kern um den Lärmschutz geht, bekam Cramer zumindest in Teilen Recht.
Auf den ersten Blick waren die baurechtlichen Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg widersprüchlich, weil die vierte Kammer die Baugenehmigungen der Stadt fürs Wohnen auf der Mainlände zwar als rechtswidrig erklärte, dennoch die Klage der Cramer-Mühle KG ablehnte. Der Grund ist: Die Mühle ist nach Auffassung des Gerichts wegen der trennenden Wirkung gar kein Nachbar und deshalb auch nicht in seinen Rechten verletzt.
Gleichwohl sagte die 4. Kammer auch Nein zur Einschätzung des städtischen Planungsamtes. Das Verwaltungsgericht sah nach einem Augenscheintermin – anders als die Stadt – als Plangebietsgrenze im Norden nicht die Bahnlinie an, sondern die Alte Bahnhofstraße mit Autohaus und Tankstelle und kam darob zu dem Schluss: Es ist ein Gewerbegebiet. Das wiederum hätte bedeutet: Die genehmigten Bauvorhaben der hjp-Architekten sind „eigentlich ihrer Art nach nicht zulässig“.
Aber: Einen „Gebietserhaltungsanspruch“, auf dem Cramer die Klage aufgebaut habe, respektive ein Verstoß gegen die „gegenseitige Rücksichtnahme“, könne die Mühle gar nicht geltend machen, weil sie eben außerhalb des Gebiets Mainlände liegt und ihr als „Nichtplanbetroffene“ gar kein Anspruch zusteht. Kompliziert, aber dennoch logisch.
In Sachen Immissionsschutz verpflichtet das Gericht die Stadt, bei einem Bescheid von Ende 2012 die festgelegten Maximal-Dezibelwerte bei zwei von vier festgelegten Immissionsorten zu korrigieren.
Das Rathaus sieht mit den Urteilen nun die „Grenzen abgesteckt“ und will dementsprechend die Mainlände „neu bewerten“, wie es Ordnungsreferent und Baujurist Jan von Lackum auf Anfrage formulierte. Dass die Stadthäuser gebaut werden können, steht für ihn außer Frage. Die Cramer-Mühle hat demgegenüber die nächste Instanz angerufen und beim Oberverwaltungsgericht in München einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.