Die Freiwilligenagentur GemeinSinn Schweinfurt und das Literaturhaus hatten zu einem besonderen Leckerbissen in den Bürgersaal eingeladen. Dieter Bednarz stellte sein Buch vor: Zu jung für alt. Der ehemalige Spiegel-Journalist erzählte sehr freimütig von seiner späten Eheschließung, seinen Problemen, Kinder zu zeugen und dann doch ein Familienleben zu meistern. Und über all dem auch älter, alt zu werden. Aber wann ist man heute alt?
Bednarz liefert Antworten in seinem erzählenden Sachbuch. Dabei ist nicht immer klar, was rein biografisch ist und soll es wahrscheinlich auch gar nicht sein. Hauptsache, die Fakten stimmen. Und da arbeitet der Journalist sehr genau und befragt Fachleute aller Couleur: Arbeitsmarktspezialisten, Ärzte und auch einfach alte Menschen. So stellt er auf leicht lesbare Weise Expertenwissen zur Verfügung.
"Die 60 hat eine andere Wucht"
Die 50 sei nur eine Zahl gewesen, so Bednarz, aber die 60 habe eine andere Wucht. Da beginne meist die Beschäftigung mit den Fragen des Berufsausstiegs, ab da bekomme man ab und zu Altersermäßigungen, ab da gehe manche körperliche Betätigung nicht mehr oder nicht mehr so leicht.
"Für die Familie will Mann ja immer der junge heldenhafte Siegfried bleiben", so Bednarz. Dabei werde nun nicht nur der zeitliche Rahmen des Lebens sichtbar, auch die Frage nach dem Sinn des Ganzen stelle sich neu, die Frage auch, wie sich aus den Niederlagen, die das Alter durchaus auch bereite, noch etwas Positives ziehen lasse.
Analog zu den "alten Kästen", die uns in der Architektur ab und zu begegnen, schilderte er, wie diese innen hochmodern renoviert und gepflegt sein könnten. Die Bereitschaft, sich neu auf ein Thema einlassen zu können, halte jung. "Alte Menschen, die auf diese Weise klug, zeitaktuell und hellwach bleiben, können der Lebensphase der Rente durchaus etwas Positives abgewinnen und eine selbstbestimmte Zeitgestaltung genießen."
Und hier schließe sich auch der Kreis zum Ehrenamt, so Bednarz. Wer Netzwerke auch jenseits des Jobs pflege, falle nicht heraus aus der Verbundenheit mit den Menschen. Diese "alten Kästen" würden ja oftmals "eine alte Pracht und Würde ausstrahlen", die jüngeren Gebäuden fehlten. Ein bloßes Hobby zu haben, genüge nicht, es müsse auch identitätsstiftend sein. Man könne sich in bereits bestehende Interessen vertiefen, man könne nachholen, wofür das Leben bisher keine Zeit gelassen habe. Schade wäre es, ein Rentner zu werden, der "seiner Frau daheim in der Küche die Fliesen kaputtläuft."
Der Gang zum Psychologen
Und wenn die Krise zu schwer werde, wenn alter Kummer, der bis in die Kriegszeit zurückreichen kann, sich deutlicher bemerkbar mache, sei ein Gang zu Psychologen durchaus hilfreich. Die Botschaft der Arbeitswelt "wir brauchen dich nicht mehr" kann wie eine Verletzung wirken, wie eine Entwurzelung, die in späteren Jahren nicht mehr so leicht zu verkraften ist.
Gekonnt, humorvoll, aber nie verletzend imitierte Bednarz die ein oder andere Szene aus Psychologen-Gesprächen. Er stellte klar, dass es darum gehe, den Alten die Würde zuzugestehen, die sie verdient hätten. Es gelte, Trauerarbeit abschließen zu können, frei zu werden für den roten Faden, der sich durchs Leben zieht. Dann komme man neu in Kontakt zu sich selbst und könne seine eigenen Projekte finden, in die man noch einmal mit Leib und Seele hineingehen kann.