Die Erosion bei den Ladengeschäften in der Gerolzhöfer Marktstraße geht unvermindert weiter. Mit der Buchhandlung Teutsch am Markt und der Bäckerei Kleinschrodt schließen in diesen Tagen fast zeitgleich erneut zwei Traditionsbetriebe. Dabei hat die Stadt erst vor wenigen Jahren auf Initiative von Altbürgermeister Hartmut Bräuer die Straße für viel Geld in ein städtebauliches Juwel umgestaltet.
Die Aufgabe des Geschäftsbetriebs in der Buchhandlung Teutsch am Markt steht allerdings nicht in Verbindung mit dem Standort Marktstraße, beteuert Inhaberin Eva Mueller. Vielmehr ist das auf gesundheitliche Gründe zurückzuführen und als eine Art Eintritt in den Ruhestand anzusehen. „Ich kann nicht mehr auf Messen fahren. Ich wollte den Kunden immer etwas bieten und mich voll einsetzen“, sagt Eva Mueller. Die Gründe für die vielen Geschäftsschließungen in der Marktstraße seien vielschichtig: Alter, Krankheit, Personalmangel, sicher auch mangelnde Wirtschaftlichkeit.
Mueller: Die Leute kaufen von der Couch
Dass nicht mehr alle Einzelhandelsgeschäfte wirtschaftlich sind, liegt für Eva Mueller auch an einem veränderten Kaufverhalten der Kunden. Sie meint damit den Online-Handel und die großen Einkaufszentren, wo sich praktisch alles unter einem Dach findet. „Die Leute kaufen von der Couch und nehmen virtuelle Preisvergleiche vor.“
Dabei gehe leider die individuelle Vielfalt verloren. Als einzige Gegenmaßnahme gegen diese Entwicklung sieht Eva Mueller für ihren Bereich, „Events“ im eigenen Geschäft anzubieten, also etwa Autorenlesungen. Doch dazu habe sie nicht mehr die Energie.
Die Geschichte des Buchhandels Teutsch in der Marktstraße begann Ende der vierziger Jahre, als Eva Muellers Vater Joseph Teutsch das Anwesen Flasch kaufte. Dort steht heute der ebenfalls leere ehemalige Lebensmittelmarkt Liebe. Später zog die Buchhandlung an den heutigen Standort in der Marktstraße 6 um.
Zum Sortiment gehörten zuletzt neben Büchern auch eine ausgefallene Auswahl an Glückwunschkarten, Spiel- und Schreibwaren, Zeitschriften und Zeitungen.
Ob es eine Nachnutzung der Räumlichkeiten geben wird, kann Eva Mueller zur Stunde noch nicht sagen. „Das ist alles noch in der Schwebe.“
An diesem Samstag ist auch die Bäckerei Kleinschrodt zum letzten Mal geöffnet. 26 Jahre lang haben Inhaber Martin Lindner und seine Frau Ulrike, geborene Kleinschrodt, diese kleine, aber feine Innenstadt-Bäckerei betrieben.
Supermarkt-Pläne waren Auslöser
Als Bäckermeister und Konditor Martin Lindner die Stadtratssitzung miterlebte, in der über die Umsiedlung der ersten zwei Supermärkte mit neuen, großflächigen Backwaren-Shops entschieden wurde, reifte bei den Lindners der Gedanke, das eigene Geschäft aufzugeben. Nach monatelangem Prozess stand die Entscheidung.
Besser jetzt als in drei oder vier Jahren, sagten sich die beiden, obwohl das Geschäft immer noch guten Zulauf hatte. Bei den Söhnen war nicht zu erkennen, dass einer von ihnen den Laden weiterführen will und es gab große Probleme, geeignetes Personal für die Qualitätsansprüche in der Backstube zu finden.
Ulrike und Martin Lindner sehen in ihrer Entscheidung auch eine Chance, noch einmal etwas ganz anderes in ihrem Leben zu machen. Martin Lindner wird zwar in seinem Beruf bleiben, allerdings deutlich bessere Arbeitszeiten haben. Und Ulrike Lindner will künftig in einem gänzlich neuen Berufsfeld arbeiten.
Die Bäckerei Kleinschrodt war bekannt dafür, dass jedes Produkt auf eigener Rezeptur beruhte und keine Fertigmischungen und keine chemischen Backmittel verwendet wurden. Die Bäckerei war bio-zertifiziert. Verwendet wurde auch Urgetreide. Das Mehl stammte von der nahen Schaubmühle in Volkach.
Im Jahr 1960 übernahmen Franz und Renate Kleinschrodt die Bäckerei der Familie Mittenzwey. 1972 kauften sie das Anwesen. Seit 1990 betreiben Martin und Ulrike Lindner das Geschäft. Zuletzt hatte es einen Anteil von etwa 80 Prozent Stammkunden, schätzt der Inhaber, nachdem es immer weniger Laufkundschaft in der Straße gibt. Man war stets bemüht, den persönlichen Kontakt zu den Käufern zu halten.
Deswegen fällt der Abschied jetzt um so schwerer. Die Bäckerei belieferte auch das Wohnstift Steigerwald, seit dieses im Jahr 1969 eröffnete, ebenso die Klinik am Steigerwald in den 20 Jahren ihres Bestehens.
Ulrike und Martin Lindner hätten es gerne gehabt, wenn ein Kollege das Geschäft übernommen hätte. Doch die Suche nach einem Nachfolger blieb erfolglos. Die Kollegen erkannten zwar, dass Lindner gute Zahlen schrieb, doch die Entwicklung auf dem Supermarkt-Sektor in Gerolzhofen mit vier großen Back-Shops schreckte die Interessenten ab. So hat Martin Lindner seinen Maschinenpark bereits größtenteils verkauft.
Wozniak: Stadt hat Weichen richtig gestellt
„Schade und bedauerlich.“ So kommentiert Bürgermeister Thorsten Wozniak die beiden Geschäftsschließungen. Die Stadt habe die richtigen Weichen gestellt und die Marktstraße sehr schön gestaltet. „Das sind die Faktoren, die wir schaffen können. Auf die Entscheidungen der Geschäftsinhaber haben wir keinen Einfluss.“
Die Entwicklung spiegle einen Trend wider, der nicht nur für Gerolzhofen gilt. Es gelinge nicht mehr, kleine Geschäfte in der Innenstadt zu halten, so der Bürgermeister. Diese Erosion habe bereits eingesetzt, bevor die vier großen, neuen Supermärkte in Gerolzhofen gebaut werden.
„Die Kunden haben das selbst in der Hand oder in den Füßen, wo sie kaufen“, sagt Wozniak. Ansonsten bleibe nichts anderes übrig, als die ehemaligen Geschäfts- in Wohnräume umzuwandeln. Das sei aber sehr zweischneidig, weil es unumkehrbar ist.
Jede Schließung eines Geschäfts habe auch Auswirkungen auf die Läden der Nachbarschaft, meint Wozniak. Das wirke wie ein Domino-Effekt.