Dienstag 8.30 Uhr: Gerade wollen die 25 lautstark pfeifenden Streikenden vor dem Betriebstor in der Hafenstraße 38 ihre Kundgebung beginnen, da tastet sich ein Lkw mit Haßfurter Kennzeichen an sie heran, will das Betriebsgelände mit einem Container verlassen. Das dauert ein paar Minuten. Die Männer mit den gelben ver.di-Westen über der Arbeitskleidung drehen ein paar Mahnrunden direkt vor dem „Streikbrecher“. Er ist angeheuert worden, um ihre Arbeit zu machen, die sie aus Protest für 24 Stunden niedergelegt haben.
Nachdem der „Streikbrecher“ weg ist, sagt ver.di-Sekretär Sinan Öztürk, warum sie alle an diesem grauen, verregneten Morgen hier protestieren, anstatt zu arbeiten: Letztes Jahr hätten die Beschäftigten der Interseroh Franken Rohstoff GmbH einen Betriebsrat gegründet und dann das bis dato betriebsrats- und gewerkschaftsfreie Unternehmen aufgefordert, in Verhandlungen über einen Mantel- und Gehaltstarifvertrag zu treten; außerdem forderten sie 6,5 Prozent mehr Geld.
„Die Verhandlungen waren nach zehn Minuten beendet“, so Öztürk. Die Interseroh Franken Rohstoff habe keine Verhandlungsbereitschaft gezeigt. Seither hätten ver.di und Betriebsrat mehrere neue Verhandlungstermine angeregt – ohne Erfolg. Die Geschäftsleitung habe lediglich „Gespräche“ angeboten, „aber mit dem Tarifpartner werden über Tarifangelegenheiten keine Gespräche geführt, sondern Verhandlungen“, so Öztürk. Das nächste unverbindliche Gespräch sei für den 6. März angeboten worden. Nun wollten sich die Beschäftigten nicht länger hinhalten lassen, „deshalb stehen wir heute hier beim zweiten Warnstreik“. Der erste war bereits im Dezember letzten Jahres.
„Als einer der führenden Entsorgungsbetriebe in Franken“ preist sich die Interseroh Franken Rohstoff GmbH mit Sitz in Sennfeld auf ihrer Internetseite an. Ihr Kerngeschäft ist die Aufbereitung und Wiederverwertung von Schrott, Metall und Altpapier: „Als Spezialist für Entsorgungsdienstleistungen sind wir ein geschätzter Partner von Handel, Industrie und Kommunen.“
Auf eben diese – Großindustrie und Kommunen – will Öztürk zugehen, damit sie Druck ausüben auf Interseroh, dass sich das Unternehmen Tarifvertragsverhandlungen stellt. Unabhängig davon „scheuen wir den Konflikt nicht“, rief Öztürk vor den Beschäftigten im Ausstand, „wenn sich der Betrieb nicht bewegt, gehen wir in die Urabstimmung und den unbefristeten Streik“. Die bisherige Verzögerungstaktik sei „eine absolute Provokation“, die nicht länger toleriert werde. Zum Durchhalten rief der DGB-Regionsvorsitzende Frank Firsching die Streikenden auf. Wenn der Betrieb keinen Tarifvertrag wolle, „verweigert er sich einer demokratisch legitimierten Lohnfindung“, das sei eine „Sauerei“.
Öztürk wies darauf hin, dass die Interseroh zur Alba-Gruppe gehört, deren Chef Eric Schweitzer als designierter Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) eigentlich eine faire Tarifpartnerschaft zu schätzen wissen müsste. Die 25 Streikenden haben am Dienstag den operativen Betrieb in der Hafenstraße praktisch lahmgelegt. Nur der Betriebs- und der Wiegemeister seien vor Ort. Der Rest des Schweinfurter Unternehmens mit etwa 80 Beschäftigten arbeite in der Verwaltung in Sennfeld und traue sich nicht aufzumucken, hieß es.