Sie sagen von sich, sie seien eine weltweite Vereinigung freier Menschen, die in freundschaftlicher Verbundenheit bereit seien, sich den gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit zu stellen und uneigennützig an deren Lösung mitzuwirken – die Lions Clubs. Der Lions Club International feiert in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen. Der Chicagoer Geschäftsmann und Freimaurer Melvin Jones gründete am 7. Juni 1917 die „Association of Lions Clubs“. Auch in Franken sind die Lions seit Jahrzehnten aktiv. Die älteste Organisation in der Region, der Lions Club Würzburg, besteht seit 1955.
Max Berthold ist schon fast drei Jahrzehnte dabei: Seit 1989 ist der Jurist Mitglied im Lions Club Würzburg. Zuvor war er 19 Jahre lang im Emsland aktiv. Bereits sein Vater war Mitglied der Lions-Bewegung: „Ich war quasi infiziert.“ Und rasch habe er gemerkt, dass die anderen Mitglieder ähnliche Vorstellungen und Prinzipien haben wie er. „Das hat mich dazu motiviert, mich intensiver mit der Idee des Lions Club auseinanderzusetzen“, so Berthold.
Gesicherte Lebensstellung
Einen hohen ethischen Anspruch hat die Organisation an ihre Mitglieder. Menschen könnten nämlich dann am besten uneigennützig helfen, wenn sie in gesicherter Lebensstellung den fairen Umgang mit Geschäftspartnern und das aufrichtige Miteinander im Alltag pflegten und sich den Grundsätzen der demokratischen Staatsform verbunden fühlten, heißt es auf der Webseite des Lions Club Würzburg. Die Verbundenheit untereinander und weltweit, die Aufforderung, sich ständig zu bilden, politische und religiöse Fragen offen zu diskutieren, tatkräftig zu sein und die eigene Lebenshaltung vorbildlich zu entwickeln, erinnern sehr an Ideen, wie sie wohl vor 100 Jahren Gründer Jones von den Freimaurern mitgebracht hat.
Freilich, die Grundideen der Serviceclubs und der Logen seien verwandt: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität, sagt Alexander Horn, Sekretär des Lions Clubs Würzburg. „Der große Unterschied ist, dass die Freimaurer sich sehr im Hinterstübchen treffen und fast ausschließlich im Stillen agieren.“ Dies habe Lions-Gründer Jones nicht gewollt. Sein Ziel sei gewesen, öffentlich zu wirken und Gutes zu tun. „So suchte er gezielt nach Gleichgesinnten. Er fand viele davon, so dass 1917 der erste Lions Club in Chicago gegründet wurde“, so Horn.
Max Berthold erinnert sich an seine eigene Anfangszeit bei der Organisation. Damals sei sie noch eher ein „Portemonnaie-Club“ gewesen, deren Mitglieder aus wohlhabenden Kreisen stammten und die finanziellen Mittel für die gemeinnützigen Projekte selbst bereitstellten. Heute hingegen finanziert der Club seine Aktivitäten vor allem durch geldbringende Maßnahmen wie Benefizkonzerte oder den Verkauf eines Adventskalenders. Für diesen Schritt habe er sich damals stark gemacht, sagt Berthold. „1972 haben wir das erste Mal eine Tombola veranstaltet und dadurch 3000 Mark eingenommen“, erzählt er.
Nicht jeder kann Mitglied werden
Obwohl beim Lions Club das wohltätige Handeln im Vordergrund steht, ist die Mitgliedschaft auch mit einem gewissen Status verbunden. So kann nicht jeder beitreten. „Mitglied im Lions Club können Sie durch Empfehlung werden“, sagt Max Berthold. Zwei Bürgen sind dazu notwendig. „Es ist keine Mitgliedschaft wie in einem Sportverein“, erklärt Sekretär Alexander Horn. Die Struktur der Mitglieder sei komplett durchmischt: Ärzte, Juristen Kaufleute, Handwerker.
In den drei fränkischen Regierungsbezirken gibt es 61 Clubs mit über 2200 Mitgliedern. Sie gehören zu einer Organisation, die in über 200 Ländern aktiv ist. „We serve – wir dienen“, ist das Motto. Vom Bingo-Spielen im Seniorenzentrum über Benefizveranstaltungen und Spendenaktionen bis zu Hilfsprojekten in Afrika: Die Liste der „Activities“ des Lions Club International ist lang. Er nennt sich selbst eine der größten Nichtregierungsorganisationen.
„Es ist richtig, dass wir heute eine der größten Service-Organisationen weltweit sind“, sagt Alexander Horn. Ihre Stärke: „Wir unterstützen direkt humanitär, sozial und kulturell. Wir verschwenden keine Gelder durch Bürokratismus.“ In Würzburg kommt das unter anderem dem Zentrum für Körperbehinderte am Heuchelhof, der Lebenshilfe und dem Verein Kampf gegen den Krebs zugute.
Der Lions Club Würzburg ist nicht nur der älteste, sondern mit fast 60 Mitgliedern auch der größte in Mainfranken. Für Mitglied Max Berthold ist vor allem das Gemeinschaftsgefühl wichtig. Der Lions Club sei sein Freundeskreis, sagt er und erzählt von gemeinsamen Unternehmungen wie der Weinsafari im Oldtimer-Bus im Sommer. Der Club bedeutet dem Witwer viel, und er ist stolz, bald 50 Jahre dabei zu sein. Auch auf höherer Ebene engagiert sich der ehemalige Personalleiter der Firma Noell. Im Kabinett des Distrikts Bayern-Nord betreut er die vier Lions Clubs in Würzburg und die im Umkreis. Seit zwei Jahren ist er für den jährlichen internationalen Friedensplakat-Wettbewerb zuständig, bei dem Jugendliche Plakate zum Jahresthema malen.
Menschen helfen will auch Nicolas Scheuplein. Der 25-jährige Chemiestudent ist seit dreieinhalb Jahren Mitglied im Leo Club Würzburg, der Jugendorganisation des Lions Clubs. Im vergangenen Jahr war er Präsident und vertrat die Leos nach außen, jetzt ist er Schatzmeister und damit für die Verwaltung des Vereinskontos zuständig.
„Auf den Leo Club bin ich durch einen Kommilitonen aufmerksam geworden, der jedes Jahr als Nikolaus in den Kindergarten gegangen ist“, erzählt Scheuplein. Er habe ihn zu einem Clubtreffen begleitet und dort viele Gleichaltrige mit ähnlichen Interessen und Ansichten kennen gelernt. „Und jetzt bin ich selbst seit drei Jahren der Nikolaus.“
Aktionen für die junge Zielgruppe
Die Aktivitäten des Leo Clubs haben Scheuplein gleich gefallen: „Die Mitglieder sind zwischen 16 und 30 Jahre alt, deshalb machen wir vor allem Aktionen für die junge Zielgruppe.“ So organisieren sie jährlich einen Glühweinverkauf auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt und spenden den Gewinn an soziale Einrichtungen. „Wir haben uns auch schon mit einem Einkaufswagen vor den Edeka gestellt und Spenden und Lebensmittel für Bedürftige gesammelt“, erzählt Scheuplein. Ein Höhepunkt für ihn sei die Reihe „Profs legen auf“. Professoren der Universität Würzburg stehen dann als DJ am Mischpult.
Obwohl Scheuplein gerade seine Masterarbeit schreibt und im Studium viel zu tun hat, nimmt er sich Zeit für die Clubaktivitäten. Wenn er das Höchstalter für Leo-Mitglieder erreicht hat, geht es für ihn weiter: „Ich betrachte das als Lebensaufgabe und bin mir sicher, dass ich danach zu den Lions gehe.“
Während die Mitgliedschaft bei den Lions lange Zeit ausschließlich Männern vorbehalten war, existieren heute auch zahlreiche gemischte Clubs wie der Lions Club Würzburg Löwenbrücke. Reine Frauenclubs gibt es dagegen nur selten. Dagmar Kröplin ist ehemalige Präsidentin des Lions Club Löwenbrücke und zugleich Vorsitzende des Hilfswerks für Kinder. Mit Club-Mitglied Kathrin Reinhard setzt sie sich seit einigen Jahren für das Kinderhaus St. Albert in der Lindleinsmühle ein.
„Viele der Kinder dort stammen aus Migranten- und sozial schwachen Familien“, erklärt Einrichtungsleiterin Bärbel Deckler. Mit dem Geld, das der Lions Club dem Kindergarten gespendet hat, konnte beispielsweise warme Winterkleidung für einen der Jungen gekauft werden. Über den Lions Club Löwenbrücke sei außerdem der Kontakt zur Würzburger Tafel entstanden, die das Kinderhaus mit Essen beliefere.
„Damit können wir allen Kindern eine warme Mahlzeit zubereiten“, so Deckler. Auch Ausflüge werden durch die Spendengelder ermöglicht: „Dank der finanziellen Hilfe können auch die Kinder mitkommen, deren Eltern kein Geld für Bustickets oder Eintrittskarten haben“, sagt die Leiterin.
Alexander Horn findet: Wenn es den Lions Club oder die verwandten Organisationen wie Rotarier, Zonta, Soroptimist nicht geben würde, hätte der Staat ein großes Problem. „Wir helfen sehr oft an den Stellen, an denen die öffentliche Hand nicht unterstützt oder sich sogar aus der Verantwortung stiehlt.“ Wenn diese Leistungen bundesweit und weltweit fehlen würden, wäre vieles auf der Welt erheblich schlimmer, ist seine Überzeugung.
Mitarbeit: Angelika Becker-Völker
100 Jahre Lions Clubs: Wohltätigkeitsorganisation und Netzwerk „We Serve“ (wir dienen) ist das Motto der Vereinigung Lions Clubs International, die am 7. Juni 1917 in den USA gegründet wurde. Nach eigenen Angaben hat die Organisation weltweit rund 1,4 Millionen Mitglieder, dem vergleichbaren Netzwerk Rotary International gehören etwa 1,2 Millionen Menschen an. Hilfe für Notleidende ist ein Anliegen beider Organisationen. Die Grundidee der Lions Clubs ist, dass Menschen mit unterschiedlichen beruflichen und persönlichen Hintergründen freundschaftlich zusammenkommen und Gutes tun. In Deutschland gibt es rund 1560 Clubs mit insgesamt 52 000 Mitgliedern. Nach Angaben des Pressesprechers der deutschen Clubs, Ulrich Stoltenberg, sind derzeit rund 6000 mehr Männer und Frauen bei Lions als noch vor zehn Jahren. Demnach stieg die Zahl seit 2006 von 46 000 auf 52 000 im vergangenen Jahr. Zu den Besonderheiten der Vereine gehört, dass Interessierte nur auf Einladung eines Mitglieds und nach Zustimmung des Clubs beitreten können. Dies soll sicherstellen, dass der Neuling in den jeweiligen Verein passt. Neben einem Mitgliedsbeitrag wird die Teilnahme an sozialen Aktivitäten und Engagement für die Gruppe erwartet. Den Vorbehalt, die Mitglieder suchten in erster Linie Kontakte für die eigene Karriere, weisen die Clubs zurück. Pressesprecher Ulrich Stoltenberg erklärt, dass die meisten beim Eintritt bereits eine erfolgreiche Karriere hätten und beruflich etabliert seien. Eine Grafik zur Altersstruktur zeigt, dass die große Mehrheit über 50 Jahre alt ist, im Jahr 2015 war rund ein Drittel älter als 65. Das wohltätige Engagement für die Gesellschaft und der Einsatz für Arme und Schwache hat für die Lions nach eigenen Angaben Priorität. Stoltenberg zufolge haben die deutschen Clubs im vergangenen Jahr mindestens 35,6 Millionen Euro mit ihren Aktionen gesammelt und für wohltätige Zwecke gespendet. Dazu kämen rund 400 000 ehrenamtlich geleistete Stunden. Das karitative Engagement zeichne die Lions stark aus, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen in Berlin, Burkhard Wilke: „Insofern halte ich die Lions für eine bedeutende zivilgesellschaftliche Organisation.“ Dass die Mitglieder auch persönlich vom Netzwerk profitieren, sei legitim. Den Distrikt Bayern-Nord mit Lions Clubs aus Unter-, Ober- und Mittelfranken gibt es seit 2005. Er zählt derzeit 61 Clubs mit über 2200 Mitgliedern – davon 27 gemischte Clubs und einen reinen Damen-Club. In Unterfranken gibt es die Lions Clubs Schweinfurt, Haßberge-Haßfurt, Kitzingen, Ochsenfurt, Mittelmain-Karlstadt, Main-Spessart, Amorbach-Miltenberg, Hammelburg-Bad Brückenau, Bad Kissingen, Hammelburg-Trimburg-Saaletal, Bad Königshofen-Grabfeld, Bad Neustadt, Lohr am Main/Marktheidenfeld, Marktheidenfeld-Laurentius und je vier in Würzburg und Aschaffenburg.