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WÜRZBURG: 16. März 1945: Eine Kugel kracht ins Krankenzimmer

WÜRZBURG

16. März 1945: Eine Kugel kracht ins Krankenzimmer

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    Dann tauchten Menschen auf, die wohl fluchtartig die Stadt verlassen hatten, sie waren gar nicht komplett gekleidet und trugen auch nur wenige Habseligkeiten bei sich. Es war ein Ehepaar Flurschütz mit ihrer Tochter Dr. Hildegunde (Studienrätin, sie schrieb ihre Doktorarbeit über Fürstbischof von Erthal). Frau Flurschütz hatte wohl weitläufige Verwandte in Obernbreit. Sie fanden „Unterkunft“ in einem Haus, das nicht mehr bewohnt wurde, weil es schon lange unbewohnbar war. Es muss für diese Menschen furchtbar gewesen sein. Der einzige Sohn war gefallen.

    Frau Flurschütz hat nicht mehr lange gelebt. Im Obernbreiter Friedhof sah ich nach einigen Jahren einen Grabstein, darauf die Namen von Frau und Herrn Flurschütz, ganz unten stand der Name des Sohnes, der im Krieg sein Leben verloren hatte, darunter stand: Gottes Wille kennt kein Warum.

    Dr. Flurschütz war bei uns mehrmals im Haus und hat Nachhilfeunterricht in Englisch gegeben. Sie muss später, als die Eltern tot waren, wieder nach Würzburg sein. Einmal sah meine Mutter Dr. Flurschütz in der Kirche, es war in Spätherbst, wir hatten schon einen Mantel an, Frl. Flurschütz nicht. Meine Mutter sagte zu meiner Schwester, du hast zwei Mäntel, gib einen ab. Meine Schwester hatte dieselbe Größe, der Mantel passte.

    Mir kommt auch ein Dr. Kurt Kellner in den Sinn, HNO-Facharzt. Wie meine Mutter den ausfindig gemacht hat, weiß ich nicht, es hieß, er hat im Steinbachtal ein Haus und darf praktizieren, weil er ein Edel-Kommunist ist.

    Meine Mutter und ich fuhren Anfang August mit dem Zug nach Würzburg; wir mussten sehr weit laufen und fanden tatsächlich das Haus dieses Arztes im Steinbachtal.

    Ins Notkrankenhaus

    Dann ging alles ziemlich schnell, es waren auch nur ein paar Patienten da. Ich wurde hereingerufen mit meiner Mutter. Der Arzt schaute mir in den Hals und sagte: „Die Mandeln müssen raus“. Ich hatte schon die ganzen Kriegsjahre Probleme damit gehabt. In der nächsten Woche sollte es geschehen. Er hat dann meiner Mutter noch gesagt, wo das Haus sei, ein Not- bzw. Behelfskrankenhaus.

    An dem Termin fuhr ich mit meinem alten Fahrrad los. Als ich Goßmannsdorf hinter mir hatte, überholte mich ein Ami-Lkw; er war total offen, auf der Ladefläche hockten etwa acht Schwarze. Der Wagen fuhr dann sehr langsam und die schwarzen Soldaten lachte mich an und ich bekam große Angst. Ich fuhr so schnell ich konnte.   Der Lkw-Fahrer merkte sicher, dass ich Angst hatte; er beschleunigte das Tempo, aber mir zitterten die Knie und mein Herz pumperte.

    Blutige Angelegenheit

    Da fand ich dann das Haus in der Nähe der Löwenbrücke unbeschädigt, es muss ein Studentenheim gewesen sein. Seitlich im Hof stelle ich mein Fahrrad ab, unverschlossen, es hatte kein Schloss. Auf mein Klingeln wurde ich eingelassen. Im ersten Stock war ein großer Raum mit 12 oder 14 Betten, die von Kranken belegt waren. Am nächsten Morgen wurden mir die Mandeln entfern (Tonsilektomie); es war eine blutige Angelegenheit und ich bekam eine Eiskrawatte verpasst und durfte nur Kaltes trinken.

    Am dritten Tag fuhr ich wieder heim, mein Fahrrad stand noch da.

    In der letzten Nacht war es auf der Straße sehr laut, die Amis waren wohl betrunken. Plötzlich ein Knall, eine Gewehrkugel flog durch das Fenster und blieb in der Zimmerdecke stecken. Wir alle waren aufgeregt und fürchteten uns.

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