Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: 20 Jahre Aphasiker-Zentrum: Aus der Ohnmacht retten

WÜRZBURG

20 Jahre Aphasiker-Zentrum: Aus der Ohnmacht retten

    • |
    • |

    Seine Nachfolger kritisieren heute die mangelnde Kooperation von Sprachtherapeuten: Da diese ihre Patienten nicht auf das Zentrum aufmerksam machten, kennen es viele Betroffene nicht. „Ich wachte auf und konnte nicht sprechen. Als ich schreiben wollte, wurden nur Kreise daraus – da wurde ich ohnmächtig.“ Das Gefühl der Ohnmacht ist Erich Rieger 30 Jahre nachdem er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt präsent. Denn es veränderte sein Leben: Der Reitunfall machte den 34-jährigen Rechtsanwalt zum hilflosen, stummen Patienten.

    Ärzte prophezeiten dem Würzburger damals, dass er nie mehr sprechen lernen würde. Doch Rieger kämpfte. Erst für sich, dann für andere. 1981 gründete er mit Mitstreitern in einem Keller seines Hauses in Grombühl eine Selbsthilfegruppe. Daraus entstand vor 20 Jahren das erste deutsche Beratungszentrum für Aphasie und Schlaganfall.

    Das zweite Leben annehmen

    Der heute 74-Jährige lebt vor, was das Zentrum vermitteln will: „Das Leben ist mit einer Hirnschädigung nicht vorbei. Wer eine Aufgabe hat, gibt nicht auf, sondern ist motiviert, sein zweites Leben anzunehmen und etwas daraus zu machen.“ Zur Lebensaufgabe Riegers wurde das Zentrum in Würzburg.

    Am 5. Dezember 1989 weihte Hannelore Kohl es als erstes Aphasiker-Beratungszentrum Deutschlands in der Theaterstraße ein und sorgte für finanzielle Unterstützung. 1997 zog man in die Robert-Koch-Straße.

    Heute arbeiten dort zwei Psychologen, zwei Sozialpädagogen, eine Verwaltungskraft und 30 Ehrenamtliche. Der 300 000-Euro-Etat wird zur Hälfte vom Bezirk sowie vom Freistaat, der Gesellschaft für Aphasie und über Spenden finanziert.

    „Wenn ich vor vielen Leuten spreche, spornt mich das an“, sagt Rieger. Er erzählt die Geschichte des Aphasiker-Zentrums, als wäre er nie ohne Sprache gewesen. Manchmal stolpert er über ein Wort, findet das richtige und redet flüssig weiter. Die Augen funkeln vor Energie, wenn er über seine Projekte berichtet, wie den Aufbau von Aphasiezentren in den neuen Bundesländern.

    2001 hat sich Rieger deshalb aus dem aktiven Geschehen des Würzburger Zentrums zurückgezogen und die Geschäftsführung an den Psychologen Thomas Hupp übergeben. Seitdem wurde die wohnortnahe Versorgung in Unterfranken ausgebaut. Es gibt drei Außenstellen sowie 15 Selbsthilfegruppen, die von Würzburg aus unterstützt werden.

    Zu den jährlichen Aphasie-Tagen kommen rund 600 Teilnehmer aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz nach Würzburg. Viele würden die Unterfranken für ihr Zentrum beneiden. Doch leider wissen nicht alle Betroffene, dass es das Zentrum überhaupt gibt.

    Etwa 1 300 Aphasiker gibt es in Unterfranken, 500 von ihnen, sowie 500 Angehörige, werden vom Zentrum mitbetreut. Warum es nicht mehr sind, erklärt Psychologin Beate Hechtle: „Leider gibt es immer noch niedergelassene Sprachtherapeuten, die hirngeschädigte Patienten und ihre Angehörigen nicht auf unsere Angebote hinweisen, weil sie uns als Konkurrenz sehen.“

    Beratung und Kontakt

    Dabei böten die vier Mitarbeiter keine Therapie der Sprachstörung an, sondern psychosoziale sowie rechtliche Beratung, Unterstützung und den Kontakt zu Gleichgesinnten als Ergänzung zur Therapie.

    „Betroffene bekommen bei uns Aufgaben: Sie leiten Gruppen, arbeiten im Büro mit, organisieren Treffen . Ihr könnt noch etwas leisten“, nennt Hupp die Botschaft, die er vermittelt. Psychologin Hechtle ergänzt: „Bei uns begegnen sich die Aphasie-Patienten in einem geschützten Raum, in dem Kommunikation wieder geübt werden kann.“

    Eine bessere Vernetzung ist eine der Hauptaufgaben des Zentrums für die Zukunft. Jetzt wird aber erst einmal gefeiert: Unter der Schirmherrschaft von Landtagspräsidentin Barbara Stamm gibt es für alle Freunde und Förderer an diesem Sonntag im Saalbau Luisengarten ein Fest zum 20. Geburtstag des Zentrums.

    Zentrum für Aphasie und Schlaganfall, Robert-Koch-Straße 36, Tel. (09 31) 29 97 50. Internet:

    www.aphasie-unterfranken.de

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden