Wer würde nicht gerne in die Zukunft schauen und vorab das hohe Alter mal „testen“? Der Alterssimulationsanzug „Gert“ macht es möglich. Durch ihn werden die typischen Einschränkungen älterer Menschen nachgestellt und somit für Jüngere erfahrbar.
Einrichtungen wie die Geriatrische Reha-Klinik der AWO Würzburg profitieren von der Alterssimulation. „Der Anzug ermöglicht unseren Mitarbeitern aber auch allen anderen einen Rollentausch, bei dem man sich in die Situation der älteren Menschen hineinversetzen kann“, so Stefana Körner, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der AWO.
Der Simulationsanzug macht das Alter fühlbar
Eingeschränktes Sehen und Hören, Gelenkversteifung, Kraft- und Gleichgewichtsverlust – all das wird durch den Testanzug nachvollziehbar. Gert besteht aus einzelnen Komponenten, die zusammen einen Effekt erzielen, der den Einschränkungen eines 80-jährigen Menschen sehr nahe kommt.
Also los, die Redaktion macht den Selbsttest. Die 24-jährige Praktikantin wird plötzlich 80 Jahre alt. Die einzelnen anziehbaren Bandagen mit Gewichten an den Arm- und Kniegelenken werden mit freundlicher Hilfe der AWO-Dame angelegt. Dann kommt eine schwere Weste mit einem Gewicht von 20 Kilogramm, die eine Versteifung der Wirbelsäule simuliert. So bekommt die Redaktionsmitarbeiterin den altersbedingt schwerfälligen Gang. Kopfhörer verschließen die Ohren, man hat plötzlich eine Art von Altersschwerhörigkeit.
Grüner oder grauer Star?
Außerdem gibt es ein Set mit sechs Simulationsbrillen, die jeweils verschiedene Augenerkrankungen wie den grünen oder grauen Star abbilden. Jetzt geht der Test los. Die Schritte werden schwerer, das Gleichgewicht gerät außer Kontrolle und auf seine eigenen Sinne kann man sich auch nicht mehr verlassen. Das eingeschränkte Sichtfeld und die getrübten Augenlinsen des grünen Stars lassen die Treppenstufen nur erahnen. Mit tapsigen, unsicheren Fußschritten erreicht die Praktikantin erschöpft das Ende der Treppe, sonst eine Kleinigkeit.
Auch das Frühstücken wird zur Herausforderung. Ein Gerät versorgt die angelegten Handschuhe mit elektronischen Impulsen, durch die ein Zittern simuliert wird, ein sogenannter Tremor. Das nachgestellte Alterszittern erschwert Routineaufgaben wie das Öffnen der Kaffeesahne oder das Bestreichen des Brötchens.
Das Fazit
Wer den Alterssimulationsanzug ausprobiert hat, versteht ältere Menschen besser. Besonders Situationen wie das lange Suchen im Geldbeutel an Kassenschlangen im Supermarkt ist nun nachvollziehbar.
Viele Hochschulen, Bildungsinstitute, Alten- und Pflegeschulen sowie Unternehmen setzen den Alterssimulationsanzug bereits ein. Auch an der Universität Würzburg wurde der Anzug von Medizinstudenten getestet.
90 Prozent der Teilnehmer gaben an, sich danach besser in die körperliche Situation älterer Menschen hineinversetzen zu können. Doch nicht nur für die Medizin sind solche Ergebnisse interessant. Auch die Industrie wie der Automobilhersteller BMW profitiert davon. Produkte können durch die Alterssituation besser auf Senioren abgestimmt werden.
Thementag für Senioren und Angehörige
Wer die Erfahrung mit dem Alterssimulationsanzug einmal selbst machen möchte, kann das am Samstag, 27. September am AWO-Thementag für Senioren und deren Angehörige im Vineyard-Center in der Beethovenstraße 2 tun. Neben Vorträgen und Workshops rund um die Themen Gesundheit, Finanzen und Betreuung lädt die AWO zum Mitmachen und Ausprobieren ein. Der Simulationsanzug sowie ein Simulator zum Testen der Fahrtauglichkeit im Alter und Gleichgewichtstests machen das Alter auch für jüngere Menschen an diesem Tag erfahrbar.