Familie zu sein, das stellt im 21. Jahrhundert vor Herausforderungen. Beziehungen gehen auseinander. Der Job macht Umzüge notwendig. Kita und Schule fordern Eltern oft stark, nun kommt noch Home Office dazu. Und dann ist da das Internet mit seinen Gefahren, aber auch Chancen. Das Evangelische Beratungszentrum (EBZ) hat tagtäglich mit all diesen Themen zu tun. In dem Maße, in dem sich die Gesellschaft ändert, erweitern sich die Themen und das Angebot der diakonischen Einrichtung, die 2020 ihr 50-jähriges Bestehen feiern konnte.
Was junge Leute heute im Internet treiben, unter welchem Druck sie durch die digitalen Netzwerke stehen und welche Gefahren ihnen dort drohen, ist für die ältere Generation kaum vorstellbar, sagt EBZ-Leiter Andreas Schrappe. Aus diesem Grund wollte man bei der für März 2020 geplanten Jubiläumsfeier das Thema „Cybermobbing“ in den Fokus rücken. Corona machte die Pläne zunichte, die Feier zum 50-Jährigen fiel aus. Das Thema selbst bleibt aber natürlich aktuell, heißt es in einer Pressemitteilung des EBZ. Wie das Beispiel einer 14-jährigen Klientin zeigt, die anzügliche Fotos an ihren „Schwarm“ schickte. Als die Beziehung zu Ende war, hatte dieser nichts Besseres zu tun, als die Bilder herumzuschicken.
Intime Bilder versandt
Außenseiter wurden auch früher auf dem Schulhof wegen ihres Andersseins gemobbt. „Durch das Internet gewinnt all dies noch einmal eine andere Dimension“, sagt Heidemaie Kaul, die dem 30-köpfigen EBZ-Team als Beraterin angehört. Im Falle der 14-Jährigen war die halbe Schule involviert. Dutzende Kids empfingen die intimen Bilder, die eigentlich für den einen Jungen bestimmt gewesen waren.
In ihrer Arbeit legen die Beraterinnen und Berater eine klare Haltung an den Tag: „Es gibt von uns keine fertigen Rezepte, sondern wir fühlen uns in die individuelle Welt aller Ratsuchenden neu ein“, erklärt Andreas Schrappe. Diese „Personorientierung“, wie sich das im Fachjargon nennt, zieht sich als roter Faden seit 1970 durch die Arbeit. Wobei dieses Prinzip in den vergangenen 50 Jahren zunehmend durch systemische Aspekte ergänzt wurde. „Wir sehen den Menschen nicht alleine, sondern in seinen Beziehungen“, erläutert Kaul. Da ist beispielsweise das Bezugssystem Elternhaus. Das System Schule. Oder auch der Sportverein.
Telefon und Laptop
Während der Corona-Krise kommen verstärkt Telefon und Laptop zum Einsatz. „Wir sind von Montagmorgen bis Freitagnachmittag direkt erreichbar“, so Schrappe. Beschleunigt durch die Krise wurde auf der Website das EBZportal aufgebaut, eine datengesicherte Form zur Kontaktaufnahme per E-Mail: „Menschen, die es am Sonntagabend drängt, uns etwas mitzuteilen, können dies nun tun.“ Die Kombination von Präsenz-, Video-, Telefon- und Mailberatung, die das EBZ im Jubiläumsjahr entwickelt hat, nennt sich „Blended Counceling“, heißt es in der Mitteilung.
Durch den Lockdown können einige Familien auch ihre Beziehungen untereinander verbessern. Die nervige Fahrt zum Arbeitsplatz entfällt. Plötzlich ist man von Verpflichtungen befreit, etwa vom Engagement in einem Verein. Doch die Pandemie hat viel mehr Schattenseiten. Die Angst ist aktuell groß, sich oder andere zu infizieren. Und die Sorge um den Arbeitsplatz wächst. „Für Menschen mit psychischen Problemen ist die Krise besonders belastend“, sagt Johannes Jahn, der sich im EBZ in der Schwangerschaftsberatung sowie für Familien mit psychisch erkrankten Eltern engagiert.
Ans EBZ wenden sich Menschen, die aus eigener Kraft gerade nicht vorankommen. Rund 2500 Klientinnen und Klienten suchen das EBZ jedes Jahr auf. Willkommen sind alle Menschen, gleich welcher Herkunft, Lebensform, sexuellen oder weltanschaulichen Orientierung. Die Beratung ist kostenfrei.
Kontakt: Evangelisches Beratungszentrum der Diakonie Würzburg, Stephanstr. 8, 97070 Würzburg, Tel.: (0931) 305010; Schwangerschaftsberatung: Theaterstr. 17, Tel.: (0931) 4044855, www.diakonie-wuerzburg.de/ebz Mail: ebz@diakonie-wuerzburg.de