Erneut sorgt der thüringische AfD-Chef Björn Höcke für Aufregung. Bei einer Veranstaltung der Jugendorganisation seiner Partei in Dresden erklärte er am Dienstagabend: „Wir Deutsche sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Am Mittwoch machte sich Empörung breit. Doch der Satz lässt sich auf unterschiedliche Weise interpretieren – und ist gleichzeitig nicht die einzige zündstoffgeladene Passage.
Während eine breite Öffentlichkeit Höcke so verstand, dass er das Holocaust-Mahnmal in Berlin eine „Schande“ nannte, bezeichnete Höcke selbst diese Auslegung als „bösartige und bewusst verleumdende Interpretation“. Vielmehr habe er „den Holocaust, also den von Deutschen verübten Völkermord an den Juden, als Schande für unser Volk bezeichnet“.
Ob es sich nun um ein verbales Fettnäpfchen oder einen rhetorischen Kniff handelte, lässt sich nur schwer klären. Unstrittig ist, dass das Denkmal tatsächlich an eine Schande erinnert. Das sieht auch Historiker Peter Hoeres von der Uni Würzburg so und erinnert an die Debatte im Vorfeld der Entscheidung über das Mahnmal Ende der 1990er Jahre: Der damalige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hatte damals erklärt, „wie den meisten Juden“ reiche ihm das Mahnmal in Yad Vashem in Israel. Und Eberhard Diepgen, damals Regierender Bürgermeister, fürchtete, mit dem Denkmal werde Berlin zur „Hauptstadt der Schande“.
„Unangenehme Artikulation“
Bei Höcke sei allerdings nicht klar, worauf er sich bezogen habe, so Hoeres. Bedenklicher scheinen ohnehin andere Passagen in der Rede des Politikers, die weniger Beachtung fanden: Unter dem Applaus des AfD-Nachwuchses sprach Höcke in Dresden von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“, forderte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, erklärte, bis jetzt sei der deutsche Gemütszustand der „eines brutal besiegten Volkes“.
„Höckes Diktion und Artikulation auch mit der Verwendung von Begriffen wie ,vollständiger Sieg der AfD‘ wirkt sehr unangenehm“, findet Historiker Hoeres. Deutlicher wurde die SPD. Sie warf Höcke vor, mit Nazi-Parolen auf Stimmenfang gehen zu wollen. „Björn Höcke spricht die Sprache der NSDAP“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm zeigte Höcke wegen Volksverhetzung an.
„Belastung für die Partei“
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, verstand Höcke unterdessen wie viele andere: „Das Berliner Holocaust-Denkmal als ,Denkmal der Schande‘ zu bezeichnen, wie es Björn Höcke getan hat, ist zutiefst empörend und völlig inakzeptabel“, sagte der Würzburger. Die AfD zeige mit diesen „antisemitischen und in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten“ ihr wahres Gesicht.
Selbst aus der eigenen Partei gab es Kritik. „Zum wiederholten Male drückt sich Björn Höcke sehr missverständlich aus, um es vorsichtig zu formulieren. Zum wiederholten Male rührt er dabei mit größter Ignoranz an einer zwölfjährigen Geschichtsepoche, deren Revision wahrlich nicht Aufgabe der AfD ist“, so der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell. Dessen Ehefrau, Parteichefin Frauke Petry, ergänzte: „Björn Höcke ist mit seinen Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden.“
Auch Kurt Schreck, unterfränkisches Mitglied im bayerischen AfD-Landesvorstand, findet Höckes Aussage „schädlich“ für die Partei. „Wir müssen den Holocaust nicht wie eine Monstranz vor uns hertragen“, so Schreck weiter, „aber wir müssen uns unzweideutig dazu bekennen.“
Wann Äußerungen zum Holocaust strafbar sind Bei umstrittenen Äußerungen zum Holocaust kann der Tatbestand der Volksverhetzung greifen. Dieser ist in Paragraf 130 des Strafgesetzbuches geregelt. Er wurde in den vergangenen Jahren nach antisemitischen und neonazistischen Übergriffen verschärft. Nach diesem Paragrafen ist es verboten, zu Hass oder Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfungen oder Verleumdungen anzugreifen. Außerdem ist die Leugnung des Massenmordes an den Juden, die sogenannte Auschwitzlüge, gesetzeswidrig. Angeklagten drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Nach Paragraf 130 wird auch derjenige bestraft, der die Würde nationalsozialistischer Opfer herabsetzt, indem er die NS-Gewaltherrschaft öffentlich billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Das Holocaust-Mahnmal mit seinen 2700 Betonstelen erinnert an den Mord an den Juden im Nationalsozialismus. Das Mahnmal war stets umstritten wegen seiner Dimension und Lage und dem symbolischen Bekenntnis zur deutschen Schuld am Holocaust. dpa