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Alfred Eck, der vergessene Held

Ochsenfurt

Alfred Eck, der vergessene Held

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    Alfred Eck, der vergessene Held
    Alfred Eck, der vergessene Held

    Die Geschichte geht unter die Haut: Alfred Eck, ein junger Wehrmachts-Soldat aus Baldersheim, 34 Jahre alt, fasst in der Nacht auf den 7. April 1945 all seinen Mut zusammen und geht mit weißer Friedensflagge auf die Amerikaner zu, die bereits Gelchsheim eingenommen haben. Eck, damals begleitet von Baldersheims Bürgermeister Franz Engert, will sinnloses Blutvergießen vermeiden. Mit den Amerikanern verhandelt er über die friedliche Aufgabe seines Heimatdorfes, zeigt ihnen sogar den Weg durch den Minensperrgürtel. Dann, wieder zurück in Baldersheim, geht Eck auf die fünf Wehrmachts-Soldaten zu, die Baldersheim vor den herannahenden feindlichen Truppen verteidigen sollen. Er spricht mit ihnen, macht ihnen klar, dass jetzt nicht mehr der Zeitpunkt sei, zu kämpfen, fordert sie auf, abzuziehen. Mit Erfolg. Baldersheim bleibt verschont. Alfred Eck erlebt das nicht mehr. Einen Tag später, mittag um halb eins, wird er in Aub aufgehängt. Hingerichtet von den Deutschen.

    Das Schicksal von Alfred Eck bewegt. Drei Tage baumelt er am Galgen. Kommunionkinder ziehen an ihm vorbei und sehen hinauf zu einem Mann, der sein Leben ließ für den Frieden. Alfred Eck hat es geschafft, dass sein Dorf von den Amerikanern verschont wird, dass die Baldersheimer nicht – wie ihre Nachbarn in Aub – sich in ihren Häusern verschanzen und um ihr Leben fürchten müssen, wenn die Amerikaner, die Guten, kommen, um sie von den Nazis zu befreien. Alfred Eck wird von vielen als Held gesehen. Ein mutiger Bursche, der es verdient hat, geehrt zu werden. An seinem Geburtshaus in Aub erinnert eine Steintafel an ihn: „Er starb für die Rettung Baldersheims vor den Schrecken des Krieges“, ist darauf zu lesen.

    Bald ist die Inschrift der Steintafel nicht mehr zu entziffern. Mit der Zeit verblassen die Buchstaben. Alfred Eck, wer war das, fragen die Schulkinder schon heute. Und bald wird es auch keine Erwachsenen mehr geben, die ihnen eine Antwort geben können. Um die Erinnerung an den Retter von Baldersheim hoch zu halten, machte Stadtrat Kilian Angermeier im Herbst 1985 den Vorschlag, die Auber Grundschule nach Alfred Eck zu benennen – und setzte sich damit am Auber Ratstisch durch. Doch noch heute gibt es in Aub keine Alfred-Eck-Schule. Ein Historiker aus München und der Schulamtsdirektor mischten sich damals nach dem Stadtratsbeschluss in die Diskussion ein und hatten schwerste Bedenken was die Namensgebung betraf.

    Schulamtsdirektor war damals Fritz Schäffer. Er sollte der Regierung von Unterfranken über das Ansinnen der Auber, ihre gerade im Bau befindliche Grundschule nach Alfred Eck zu benennen, berichten. Offen schrieb Schäffer seine Vorbehalte. Dass er Zweifel daran habe, der Schule den Namen eines „Verurteilten“ zu geben und Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren noch nicht das nötige Geschichtsbewusstsein hätten, um die Geschehnisse zu begreifen.

    Schäffer ist heute 85 Jahre alt und lebt in Kirchheim. Noch gut kann er sich an die Diskussionen von damals erinnern. Und er würde heute, 70 Jahre nach Kriegsende, in einer Zeit also, in der mittlerweile alle Wehrmachts-Deserteure rehabilitiert worden sind, genauso handeln. „Ein deutscher Soldat verrät seine Kameraden nicht“, sagt er mit fester Stimme am Telefon. Und, er wollte damals wie heute nicht in einer Schule arbeiten, die den Namen eines Mannes trägt, der seine Kameraden verraten hat.

    Bei diesem Satz müssen Hans-Rainer Eck und Bernhard Mader erstmal tief durchatmen. Kopfschüttelnd nehmen sie das zur Kenntnis, was bereits vor 30 Jahren in manchen Köpfen kursierte und noch immer nicht geheilt ist. Dennoch glaubt Bernhard Mader aus Eibelstadt, dass es jetzt an der Zeit sei, die „schäbige“ Diskussion von damals würdevoller zu führen.

    Mader, gebürtig in Aub, hat daher an Bürgermeister Robert Melber und an die Damen und Herren des Auber Stadtrates geschrieben: „Der Grund diesen Fall noch mal aufzurollen ist der, dass am 8. September 2009 der Deutsche Bundestag einstimmig die Aufhebung aller Verurteilungen wegen „Kriegsverrats“ im Zweiten Weltkrieg beschloss.“ Und weiter heißt es in dem Brief, datiert vom 19. September 2014: „Jetzt haben Sie die Möglichkeit ein schlimmes Unrecht wenigstens ein klein wenig wieder gutzumachen und einem mutigen Menschen seine Ehre vor Ort wieder zu geben.“

    Alfreds Neffe, Hans-Rainer Eck, lebt heute in Bütthard. Die Geschichte um seinen Onkel bewegt ihn immer noch. Es fällt ihm schwer, über die Ereignisse von damals zu sprechen. Und er ist sich gar nicht sicher, ob er das überhaupt noch einmal will. Noch einmal alles durchmachen, noch einmal zu hören, wie sein Onkel in den Schmutz gezogen wird, weil manche ihn noch immer als Fahnenflüchtigen sehen. Zu sehr gekränkt hat die Familie damals der Vorwurf, Alfred sei ein Deserteur gewesen. So sehr, dass sie ihr Einverständnis zur Namensgebung wieder zurückzogen.

    Alfred Eck war bei einer Marine-Einheit in Albanien stationiert und sollte einen Sträfling in das Wehrmachtsgefängnis nach Bruchsal bringen. Ein Kurzurlaub zuhause in Baldersheim war ihm dabei sogar offiziell vergönnt. Doch Eck wurde krank, musste an den Drüsen operiert werden. Die Amerikaner waren zu diesem Zeitpunkt bereits bis Sonderhofen vorgestoßen. „Nach Rücksprache mit dem Polizeikommissar Fuchs in Aub, dem Leiter der Polizeidienststelle, hat sich mein Bruder, da er seine eigene Truppeneinheit nicht mehr erreichen konnte, entschlossen, in Baldersheim zu bleiben“, schrieb Alfred Ecks Bruder Sebastian im September 1986 an Schulamtsdirektor Schäffer, um den Vorwurf der Fahnenflucht zu entkräften.

    „Was soll eine erneute Diskussion um die Ereignisse von damals nun bewirken“, ist sich Hans-Rainer Eck unsicher, ob er sich überhaupt noch dazu äußern soll.

    Ein paar Tage vergehen. Dann schreibt Hans-Rainer Eck folgendes an die Redaktion: „Es ist an der Zeit, dass 70 Jahre nach der menschenverachtenden Hinrichtung meines Onkels und 30 Jahre nach der ,unwürdigen‘ Diskussion um die Namensgebung der Grundschule Aub dieses Unrecht wieder aufgegriffen wird.“

    Jetzt ist es also an den Aubern, die Geschichte neu zu schreiben. Bürgermeister Robert Melber nimmt das Thema ernst. Seit einem halben Jahr liegt der Brief von Bernhard Mader auf seinem Schreibtisch. Im März will er im Stadtrat über eine würdige Form des Andenkens an den Retter von Baldersheim diskutieren. Um mögliche Erwartungen erst gar nicht aufkommen zu lassen, glaubt Melber bereits vor der Auseinandersetzung mit seinen Stadtratskollegen, dass es schwer werden dürfte, Grundschülern die Ereignisse von damals zu vermitteln. Hans-Rainer Eck, selbst Pädagoge, widerspricht: „Es liegt doch am Lehrer, ob es die Schüler verstehen.“

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